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Home/Newscenter/Büffel unter Rennpferden – John Bryants Neustart im Gießener Hochgeschwindigkeitsbasketball

Kochs NachschlagBüffel unter Rennpferden – John Bryants Neustart im Gießener Hochgeschwindigkeitsbasketball

13. Dezember 2017
In Ulm war er samt seiner zwei MVP-Auszeichnungen ein Phänomen, mit München wurde er Meister – dann kam der Karriereknick. Jetzt soll John Bryant zentraler Teil einer schnellen Gießener Mannschaft sein – wie läuft das bisher für den massigen Center?

– Stefan Koch

In Ulm war er samt seiner zwei MVP-Auszeichnungen ein Phänomen, mit München wurde er Meister – dann kam der Karriereknick. Jetzt soll John Bryant zentraler Teil einer schnellen Gießener Mannschaft sein – wie läuft das bisher für den massigen Center?

Ein Rendezvous mit seiner Vergangenheit – das erlebte John Bryant am Sonntag als seine GIESSEN 46ers seinen früheren Klub ratiopharm ulm empfingen. Denn an der Donau spielte „Big John“ von 2010 bis 2013 den besten Basketball seiner Karriere und wurde zwei Mal zum besten Spieler der Liga gekürt.

In einer Dekade, in der in der NBA kaum noch Superstars auf der Centerposition existieren und Golden State zwei Meisterschaften gewann mit einem nur zwei Meter großen Draymond Green als Fake-Fünfer, lieferte Bryant einen kolossalen Beweis, dass auch in einer sich verändernden Basketballwelt ein klassischer Big Man das Spiel entscheidend beeinflussen, ja sogar dominieren kann. Zwar demonstrierte er dies in Europa und nicht in der NBA, aber auch auf dieser Seite des Atlantiks geht die Tendenz auf der Centerposition ja immer mehr in Richtung Ausnahmeathleten oder Forwards.

Zur Person: Stefan Koch

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.

Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Telekom Sport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.

Der MVP John Bryant

Zugegeben, hier müssen wir eine Auszeit nehmen, kurz nachdenken, ob John Bryant in seinen MVP-Jahren wirklich ein klassischer Fünfer war und dann eingestehen: nicht wirklich. Eigentlich war er ein 2,11 Meter großer und besonders breiter Spieler, der auf der Fünf eingesetzt wurde, aber nicht nur wegen seiner zugegeben starken Centerbewegungen auffiel, sondern wegen seines insgesamt sehr breit gefächerten offensiven Werkzeugkastens. Besonders 2012/13, in seiner zweiten MVP-Saison, war er im Angriff nicht zu stoppen (15,6 Punkte, 47,3 FG%, 37,1 3P%, 76,6 FT%) - das Video rechts verdeutlicht seine damalige Bandbreite sehr schön.

Zu Gute kam ihm in Ulm, dass vor seiner ersten MVP-Saison Thorsten Leibenath neuer Headcoach wurde und ihn ermunterte, sein Abschluss-Repertoire zu erweitern – und zwar bis hinter die Dreierlinie. Im ersten Jahr hatte Bryant sich nur ein einziges Mal aus der Distanz versucht, im zweiten (mit Leibenath an der Seitenlinie) ließ er bereits 27 Dreier fliegen von denen er elf traf (40,7 Prozent), und in der dritten Saison in Ulm netzte er 49 von 132 ein (37,1 Prozent).

Durch seine Evolution wurde die Ulmer Offense immer mehr auf ihn zugeschnitten: Während er anfangs fast nur aufpostete, nachdem er am Zonenrand einen Turnoutscreen für einen Außenspieler gesetzt hatte, bekam er nun auch selbst Blocks gestellt, damit er leichter in gute Positionen kommen konnte -und zwar nicht nur am Zonenrand. Vielmehr wurden unterschiedliche Winkel kreiert, um seinem vielseitigen Spiel die dazugehörigen Optionen für den Abschluss zu liefern. Später gab es sogar ein System, bei dem er selbst wählen konnte, ob er zum Dreier oder in den Lowpost geht.

Die Rolle in Gießen

Nach seinem Karriereknick in der vergangenen Saison, als er in Valencia wegen Übergewichts aussortiert wurde (worüber er damals erstaunlich offen sprach, wie das Video rechts zeigt), unterschrieb John Bryant im Sommer überraschend in Gießen.

Wie sollte dieser Koloss mit seinen offiziell 127 Kilo unter Ingo Freyer funktionieren, der aus Hagen für seinen Hochgeschwindigkeitsbasketball bekannt war? Er sähe da kein großes Problem, winkte der neue Gießener Headcoach ab und machte Bryant als letzten Zugang gleich mal zum Kapitän.

Nach zwölf Partien lässt sich zwischenbilanzieren, dass Freyer mit seiner Gelassenheit richtig lag: John Bryant ist der effektivste Gießener Spieler! Er legt mit durchschnittlich 11,8 Punkten und 9,7 Brettern fast ein Double-Double auf und ist schon wieder der beste Rebounder der Liga (wobei das schnelle Spiel der Gießener natürlich auch viele Würfe und damit viele potenzielle Rebounds generiert).

Durch das hohe Tempo suchen die Gießener Guards häufig selbst einen schnellen Abschluss, so dass Bryant über den einen oder anderen Wurf mehr wohl nicht unglücklich wäre. Allerdings schließt er derzeit weder am Brett noch von Downtown (2/22 Dreier) schon wieder mit der früheren Souveränität ab. Dafür zeigt er aber andere Qualitäten, denn seine 2,8 Assists sind sein Karrierebestwert in der easyCredit BBL (2013/14: 1,8 APG) und vor allem seine Vorlagen gegen Ulm machten ihm Spaß, da sie in den ersten beiden Fällen einen guten Freund alt aussehen ließen, wie hier im Video zu sehen ist:

Die defensiven Dauerthemen

Zu Ulmer Zeiten verstand es Bryant ausgezeichnet im 1-1 seinen massigen Körper als fast unüberwindbarere Mauer einzusetzen. Damals wie heute verließ er die Zone aber nur ungern. Dass er dort aber immer noch eine Macht sein kann, bewies er gegen Bayreuth mit sechs geblockten Würfen (auch ein Karrierebestwert). Andererseits gibt er dadurch unter anderem in der Pick-and-Roll-Verteidigung Würfe aus der Halbdistanz ab. Außerdem ist seine behäbige Transition-Defense ein weiterer Schwachpunkt, bei dem die Kontrahenten häufig ansetzen. Berlin beispielsweise versuchte gegen Gießen immer wieder den Schnelligkeitsvorteil von Dennis Clifford im Umschaltspiel zu nutzen. In der Szene hier oben ist gut zu sehen, dass Clifford Bryant - nach dessen Wurf - über die Länge des Spielfeldes mehrere Meter abnimmt:

Kochs Nachschlag

Der zweifache MVP verdient große Anerkennung dafür, dass er bereit ist, aktuell kleinere Brötchen zu backen, um sich wieder nach oben zu arbeiten. Wer John Bryant bei der Arbeit beobachtet, kann an seinem Gesicht ablesen, dass seine Freude am Basketball zurück ist. Noch ist er nicht ganz der Alte, aber es ging seit dem Saisonstart bereits aufwärts. Wenn er weiter an seiner Fitness arbeitet, könnte er bald noch etwas stärker an den Dominator erinnern, der er in Ulm gewesen war. Es wäre diesem außergewöhnlichen Spieler zu gönnen.