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Home/Newscenter/Desmond, Dirk, Marv und Robse - Die Erfolgsgeschichte der jungen Wilden aus Würzburg

Gesichter der LigaDesmond, Dirk, Marv und Robse - Die Erfolgsgeschichte der jungen Wilden aus Würzburg

21. April 2020
In der Geschichte der Bundesliga zeigten einige Mannschaften, dass auch mit Jünglingen gewonnen werden kann, aber was um die Jahrtausendwende in Würzburg abging, war etwas Besonderes. Mit Dirk Nowitzki, Robert Garrett, Demond Greene und Marvin Willoughby ballern vier Jungnationalspieler den Aufsteiger in die Playoffs. In Würzburg groß rausgekommen, absolvierte dieses Quartett insgesamt 420 Länderspiele.

– Stefan Mantel

In der Geschichte der Bundesliga zeigten einige Mannschaften, dass auch mit Jünglingen gewonnen werden kann, aber was um die Jahrtausendwende in Würzburg abging, war etwas Besonderes. Mit Dirk Nowitzki, Robert Garrett, Demond Greene und Marvin Willoughby ballern vier Jungnationalspieler den Aufsteiger in die Playoffs. In Würzburg groß rausgekommen, absolvierte dieses Quartett insgesamt 420 Länderspiele.

Robert Garrett muss nicht lange überlegen: „Die Zeit war sicher die beste und schönste in meiner Karriere.“ Mit Frankfurt gewinnt er 2004 seine erste deutsche Meisterschaft, mit Bamberg sollen 2007 und 2010 noch zwei weitere folgen, 2002 holt er Bronze bei der WM in den USA, nimmt 2008 an den Olympischen Spielen teil und führt im Herbst seiner Laufbahn den FC Bayern München 2011 zurück in die Bundesliga – ins Schwärmen aber gerät der 37-Jährige, wenn er auf die Anfänge seiner Karriere zurückblickt. Auf jene Zeit um die Jahrtausendwende, als der Combo-Guard aus Ochsenfurt, zwölf Kilometer vor den Toren Würzburgs gelegen, mit Dirk Nowitzki, Demond Greene und Marvin Willoughby ein Teil jener jungen Wilden war, die mit ihrer unangepassten Spielweise die deutsche Basketball-Szene aufmischten.

Uno-Match der alten Kumpels:

Das Uno-Match der alten Kumpels aus Würzburger Zeiten sowie ein rund 20-minütiger Talk mit Marvin Willoughby werden am Dienstag, 21. April, um 18 Uhr im Internet gezeigt bei sportdeutschland.tv und twitch.tv/loggedin.

„Das war einfach eine geile Zeit und hat unglaublich viel Spaß gemacht“, sagt Robse Garrett über seine sechs Jahre von 1996 bis 2002 im Trikot der DJK s.Oliver Würzburg. „Ich habe mich später nie wieder so frei auf dem Basketball-Feld gefühlt.“

Das war einfach eine geile Zeit und hat unglaublich viel Spaß gemacht. Ich habe mich später nie wieder so frei auf dem Basketball-Feld gefühlt.

Robert Garrett

Die Philosophie der „X-Rays“ ist dabei ebenso simpel wie einleuchtend: „Am Ende müssen wir einfach einen Korb mehr geworfen haben als der Gegner“, sagte Holger Geschwindner einmal, eine Maxime, welche die Würzburger bereits in der zweiten Liga mit kompromisslosem Run-and-gun umsetzen. Der Attacke-Modus als normaler Aggregatzustand einer ganzen Mannschaft. Fünf Schuss, `ne Mark. Setplay wird überbewertet, die Shotclock überflüssig. Dreier aus dem Fastbreak? Gerne doch! Kein Rebounder, kein Problem – wir treffen ja sowieso.

Nach zwei gescheiterten Anläufen glückt 1998 der ersehnte Sprung ins Oberhaus. Mehr als 105 Punkte im Schnitt legen die Würzburger damals auf – ein Rekord, der bis heute Bestand hat in der zweiten Liga. „Die Erleichterung über den Aufstieg war natürlich groß. Die ganze Stadt hat mitgefiebert“, sagt Garrett, damals gerade 20 Jahre. Nowitzki (19) und Greene (18) sind sogar noch jünger, auch Willoughby (19), der im Sommer 1998 aus Hamburg kommt, hat die Adoleszenz noch nicht überwunden.

Auch gegen die etablierten Bundesligisten behalten die Jünglinge ihren Stil bei. Die Experten belächeln die Würzburger und halten ihre Halbwertzeit in der ersten Liga für überschaubar. Die alten Hasen auf und Trainer-Füchse neben dem Parkett werden die Jungspunde um Aufstiegs-Coach Klaus Perneker (32) schon in die Schranken weisen. Als „Abstiegskandidat Nummer 1“ stuft die Fachpresse die Würzburger vor Saisonbeginn ein. Das 70:108 bei der Premiere gegen Liga-Primus ALBA BERLIN, bei dem die Schulbuben des Aufsteigers vorgeführt werden, scheint den Skeptikern Recht zu geben. Doch die Würzburger akklimatisieren sich schnell, ohne den Fuß auch nur ein Jota vom Gaspedal zu nehmen. Fünf Siege glücken in den 13 Hinrunden-Partien, die Abstiegsränge sind schnell außer Sichtweite.

Robert Garrett

Und dann kommt der 6. Dezember 1998, Nikolaustag in der Max-Schmeling-Halle, Auftritt beim bis dato zuhause ungeschlagenen deutschen Meister. Das ZDF kündigt sich an, möchte in Liveschalten von der Partie berichten – in allererster Linie aber ein Interview mit jenem Mann führen, der auf dem Sprung in die NBA steht. Nowitzki, „The German Wunderkind“, hat bei den Dallas Mavericks bereits einen Vertrag unterschrieben. Wegen eines Streits zwischen den NBA-Klubs und ihren Profis und des damit verbundenen Lockouts geht der gebürtige Würzburger aber noch für seinen Heimatklub auf Korbjagd. In Berlin ist er jedoch entgegen den Erwartungen nicht dabei. „Ich erfuhr es am Abend vorher beim Abschlusstraining“, berichtet Perneker später vom spontanen Abflug Nowitzkis mit seinem Mentor Geschwindner über den großen Teich.

Ohne Nowitzki? Beim Serien-Meister? Nach dem 70:108 im Hinspiel? Düsterste Befürchtungen machen sich breit, das Archiv wird nach der höchsten Bundesliga-Pleite durchforstet – doch es kommt anders und wird die eigentliche Geburtsstunde der „goldenen Generation“ des Würzburger Basketballs. Lange Zeit hecheln die Gäste dem erwarteten Rückstand hinterher, gleichen aber kurz vor Schluss die Partie aus – und sorgen in der Verlängerung für die Sensation: Centertier Olumide Oyedeji hämmert 1,6 Sekunden vor Schluss den Ball zum 87:87 durch die Reuse. Vor dem Bonus-Freiwurf sinkt der 17-jährige Nigerianer – noch so einer, der kaum trocken hinter den Ohren ist – an der Linie auf die Knie, faltet die Hände zum Gebet, richtet sich auf und versenkt staubtrocken den Wurf zum Sieg.

Dirk Nowitzki beim Freiwurf

So muss statt Nowitzki der zerknirscht dreinschauende ALBA-Coach Svetislav Pesic die Fragen des ZDF-Teams beantworten und das gerade Widerfahrene gegen den Aufsteiger in Worte gießen. „Der Triumph in Berlin war für uns sicher das Highlight“, sagt Center Burkhard Steinbach. „Ich weiß noch, wie der Olu Wendell Alexis beim Korbleger nicht nur geblockt, sondern den Ball damals einfach gefangen hat. Gegen Wendell Alexis!“

Der von den Fans liebevoll nach seinem Heimatort benannte „Koloss von Moos“ ist damals der Einzige, der nicht nur wegen seiner Körperfülle eigentlich nicht ins Konzept passt. „Ein junger Wilder war ich mit 28 Jahren jedenfalls nicht mehr. Vielmehr war ich die Mutter der Kompanie“, sagt der 2,12 Meter große Steinbach. „Robse hat bei seinem letzten Besuch erst wieder gefrotzelt, dass, wenn die anderen nach einem Fastbreak zurückgelaufen sind, ich ihnen an der Mittellinie gerade entgegenkam.“

Ich weiß noch, wie der Olu Wendell Alexis beim Korbleger nicht nur geblockt, sondern den Ball damals einfach gefangen hat.

Burkhard Steinbach

Der Sieg in der Hauptstadt befeuert die atemraubende Entwicklung und katapultiert den Klub, der zehn seiner 13 Rückrunden-Spiele gewinnt, auf den sechsten Platz. Vor so manchem Traditionsklub wie Hagen (106:69) oder Rekordmeister Leverkusen (96:77) stehend, ballern sich die Aufsteiger in die Playoffs. Triers Trainer Don Beck bezeichnet das Team samt seiner potenten Offense als das „talentierteste Europas“. „Diese Art zu spielen war unsere Identität“, sagt Steinbach. Das alles übrigens fast ohne Nowitzki, der in seinen insgesamt 18 Erstliga-Partien durchschnittlich 22,5 Punkte erzielt und damit Ligatopscorer der Saison wird. Zwar kehrt er noch mal für vier Spiele aus den USA zurück, verabschiedet sich im Januar 1999 aber endgültig nach Texas.

„Dass Dirk weg war, haben wir gar nicht so als Problem gesehen. Wir wussten ja, dass wir alle dribbeln und den Ball werfen können. Wir haben nie daran gezweifelt, nur andere“, sagt Garrett. Dass die Würzburger in der ersten Runde der Playoffs gegen den Elften Oberelchingen Lehrgeld zahlen müssen und ausscheiden, verbucht Garrett rückblickend als ebenso hilfreiche Erfahrung wie den Abstiegskampf im zweiten Bundesligajahr. „Das Unbeschwerte war weg, und natürlich hatten die Gegner sich auch auf uns eingestellt.“

Demond Greene räumt Dwyane Wade ab.

Tiefe Risse bekommt die heile Würzburger Basketball-Welt aber im dritten Jahr – paradoxerweise das sportlich erfolgreichste dieser Ära. Der Kanadier Gordon Herbert übernimmt zur Saison 2000/01 das Traineramt und setzt in seiner ersten Saison in Deutschland auf taktische Disziplin und, stärker als die Vorgänger, auch auf ausländische Leistungsträger. Ein Umstand, der vor allem Geschwinder nicht schmeckt. Im DSF kritisiert er in der Halbzeitpause gegen Hagen die neue Ausrichtung des Klubs, schimpft auf die „drittklassigen Amerikaner“ und droht damit, „meine Buben“ von heute auf morgen zu einem anderen Klub zu vermitteln. Wolfgang Malisch, Manager des Klubs und Chemie-Professor im Hauptberuf, hat alle Mühe, den Laden zusammenzuhalten. Auch der fünfte Platz in der Saison und vier packende Playoff-Duelle gegen Gießen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Projekt seine Unschuld verloren hat.

Im Jahr darauf kehrt man mit Pit Stahl und später dem Litauer Mindaugas Lukosius auf der Trainerbank noch mal zu den Wurzeln zurück. „Unsere drei Nationalspieler sind unsere Ausländer“, sagt Malisch im Vorfeld der Saison. Doch das Trio hat längst Begehrlichkeiten der Konkurrenz geweckt: 2002 wechseln Garrett nach Frankfurt, Greene nach Leverkusen und Willoughby nach Köln. Die Erfolgsgeschichte der jungen Wilden aus Würzburg ist zu Ende geschrieben. „Dass das eines Tages so kommen würde, war klar. In Würzburg war ja gar nicht das Geld da, die Jungs zu halten“, sagt Steinbach. „Die Anfänge von Dirk hautnah mitzuerleben, war faszinierend. Überhaupt haben die Jungs in Würzburg eine Plattform bekommen, die sie so wohl nirgends anders gehabt hätten. Und sie haben alle ihre Chance beim Schopf gepackt und sind erfolgreiche Nationalspieler geworden.“ Nowitzki hat bis heute 153 Länderspiele in der Vita, Garrett 118, Greene 114 und Willoughby 35.

Auf der Strecke blieb allerdings der Verein an sich, der für die Ausbildung der Talente nie einen Cent sah: 2003 steigen die X-Rays aus der Bundesliga ab, bleiben nur dank einer Wildcard bis 2005 in der Liga. Mit dem zweiten sportlichen Abstieg ist der endgültige Niedergang verbunden, der Klub meldet Insolvenz an und verschwindet von der Bildfläche. Heute ist Würzburg wieder erstklassig, die s.Oliver Baskets kehren zur Saison 2015/16 nach einem einjährigen Intermezzo in der zweiten Liga in die Beletage zurück. Mit Maximilian Ugrai (20), Kapitän der U20-Nationalmannschaft, und Constantin Ebert (19) stehen zwei Eigengewächse im Kader.

Marvin Willoughby

50 Jahre Basketball Bundesliga

Dieser Beitrag stammt aus dem Buch "50 Jahre Basketball Bundesliga", welches 2015 unter journalistischer Federführung von Chefredakteur Sven Simon erschienen ist. In dem Buch blicken renommierte Autoren wie Thomas Pletzinger (Buch-Autor, „The Great Nowitzki“), Joachim Mölter (Süddeutsche Zeitung), Michael Reinsch (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Dietmar Schott (ehemaliger WDR-Sportchef) sowie die ehemaligen Nationalspieler Henning Harnisch und Johannes Herber in einer Mischung aus literarischem Stil und moderner Basketballsprache auf die Geschichte der Bundesliga zurück.

Das Buch lässt in edlem Layout auf 220 Seiten die größten Momente aufleben, erinnert an die Stars von gestern, präsentiert die Helden von heute und zeigt bis dahin unveröffentlichte Fotos. In Interviews, Porträts, Essays und Kolumnen werden große Erinnerungen und Emotionen geweckt. Die Stars jeder Epoche erzählen Anekdoten über Aufstieg und Abschied, über Triumphe und Tragödien, über Freunde und Feinde. Von den Pionieren der Liga bis zu den deutschen NBA-Stars von heute: Auf unterhaltsame, lockere Art ist dieser Band samt ausführlichem Statistikteil das Kompendium des deutschen Basketballs. Ein Muss für jeden Basketball-Fan!

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