Vier Klubs streiten sich um zwei Playoff-Plätze. Von zwei Überraschungsteams könnte es vielleicht doch nur eins schaffen. Dafür schiebt ein 20-Jähriger sein Team auf der Schlussgeraden nach vorne. Und eine traditionell starke Basketball-Region könnte nach 36 Jahren erstmals nicht in der Postseason vertreten sein.
Sieben Spieltage stehen noch aus, aber mit Ausnahme von Bonn, Bayreuth und Oldenburg haben alle Mannschaften noch Nachholspiele zu absolvieren. Dementsprechend ist die Tabelle relativ unübersichtlich. Das gilt insbesondere für das Rennen um die Playoff-Plätze, wo mit Crailsheim und Göttingen zuletzt zwei Überraschungsmannschaften den Verlust ihrer wichtigsten Spieler durch ähnliche schwere Verletzungen hinnehmen mussten. Ich möchte einen Blick auf die Teams werfen, die noch um die Teilnahme an der Postseason kämpfen. Die Unabwägbarkeiten der Pandemie und die Ausfälle von T.J. Shorts und Kamar Baldwin verdeutlichen, wie fragil und kurzlebig Vorhersagen sein können. Dennoch lege ich mich zumindest schon fest, was die ersten sechs Plätze betrifft: Bonn, München, Ludwigsburg, Ulm, Berlin und Chemnitz kommen in die Playoffs. Bleiben also noch zwei Spots!
Verletzungspech bei Merlins und Veilchen
Von den Mannschaften, die jetzt noch im Rennen sind, habe ich Crailsheim und Göttingen die Playoffs am wenigsten zugetraut. Einerseits sind sie vermutlich die Clubs in den Top Ten, die den kleinsten Etat haben, andererseits gab es vor der Saison große personelle Veränderungen, deren Auswirkungen nicht absehbar waren. Aber beide Teams haben sich bislang exzellent verkauft, indem sie attraktiven und erfolgreichen Basketball geboten haben. Traurigerweise fallen jetzt ihre Schlüsselakteure T.J. Shorts (Riss der Brustmuskelsehne) und Kamar Baldwin (Teilabriss des Brustmuskels) mit fast identischen Verletzungen aus. Beim Blick auf die Tabelle glaube ich, dass höchstens eine der beiden Mannschaften ohne ihren MVP-Kandidaten die Playoffs erreichen kann. Wer es besser hinbekommt, den Verlust zu kompensieren, kann es schaffen.
Göttingen ist zuletzt mit drei Niederlagen in Folge ins Straucheln geraten, hat aber schon zwei Siege mehr auf dem Konto als die Crailsheimer, die sogar vier Partien in Serie abgeben mussten. Dafür konnten die Merlins mit Mike Caffey einen Ersatz für Shorts präsentieren, der am Dienstag in Bamberg mit 16 Punkten vielversprechend debütierte. Er muss zusammen mit Jon Gudmundsson ein Orchester dirigieren, dem derzeit wichtige Instrumentalisten wegen Corona fehlen. Crailsheim braucht so schnell wie möglich eine volle Kapelle, um im Playoff-Takt musizieren zu können.
Am heutigen Donnerstag endet die Wechselfrist und damit die Chance der Göttinger für eine letzte Nachverpflichtung, welche auch genutzt wurde. Nachdem ein angeblich geplanter Wechsel von Matt Mobley (ehemals Frankfurt) geplatzt sein soll, wurde Jeremiah Martin als Verstärkung geholt (Highlights unten). Der 1,91 Meter große US-Guard ist ebenso wie Baldwin Linkshänder, hat bisher in dieser Saison bei den New Zealand Breakers mit Peyton Siva zusammengespielt und absolvierte 2019-2021 insgesamt 21 NBA-Partien für die Brooklyn Nets und Cleveland Cavaliers (Details). Das spricht für viel Qualität!
Hamburg und Bamberg als „Profiteure“?
Der Begriff „Profiteur“ hat ein Geschmäckle und würde inhaltlich auf die Towers überhaupt nicht zutreffen, aber zumindest bedingt auf Bamberg. Denn ohne die Verletzungssorgen in Crailsheim und in Göttingen hätte ich die Oberfranken zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr auf meiner Playoff-Rechnung gehabt, obwohl sie zuletzt drei Spiele in Folge gewinnen konnten.
Die Hamburger haben insgesamt stärker gespielt als der neunfache Meister und ich hatte das Team von Pedro Calles ohnehin für die Postseason eingeplant, auch wenn es einige Höhen und Tiefen durchlaufen hat. Dabei sollte man auch berücksichtigen, dass die Hanseaten erstmals die Doppelbelastung eines europäischen Wettbewerbs verdauen müssen. Zuletzt haben sie zwei überzeugende Auswärtssiege innerhalb von nur 48 Stunden in Chemnitz und in Heidelberg hingelegt. Zwar durchlebt Caleb Homesley momentan eine echte Formkrise, aber Lukas Meisner ist nach einem sehr schwierigen Start immer besser geworden und steuerte in den letzten neun Pflichtspielen 17 Punkte pro Partie bei. Zudem sammelt Justus Hollatz fleißig Argumente für eine EM-Nominierung. Beim 100:76-Auswärtssieg in Heidelberg (Video unten) legte der 20-jährige Nationalspieler 15 Assists auf, womit er einen Ligarekord für deutsche Akteure aufstellte und Academics-Coach „Frenki“ Ignjatovic ins Schwärmen brachte: „Wir haben heute die Zukunft des deutschen Basketballs gesehen, so wie Justus Hollatz die Mannschaft geführt hat, so jung, so reif.“ Am Freitag empfangen die Towers die Crailsheimer und haben in diesem direkten Duell die Chance, ihre Ausgangsposition weiter zu verbessern.
Kochs Nachschlag
Das gelang den Bambergern schon am Dienstag, als sie die personell geschwächten Merlins mit 91:81 besiegten (Video unten). Es war bislang keine leichte Saison für Chris Sengfelder und Co. Ein Trainerwechsel sowie personelle Ausfälle und Veränderungen prägten die Spielzeit. Es wäre aber zu einfach, diese Faktoren alleine dafür verantwortlich zu machen, dass dieses Team hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Auftritte waren stellenweise etwas blutleer.
Dennoch ist Bamberg die letzte fränkische Hoffnung für die Playoffs. Denn Bayreuth hat sich angesichts der Umstände (Corona und Verletzungen) als einziges Team ohne Nachverpflichtung mehr als nur bravourös geschlagen, aber für die Postseason wird es genauso wenig reichen wie bei den Würzburgern, die aber dank ihrer Erfolgsserie den Tabellenkeller verlassen haben.
Und sollte Brose Bamberg es nicht in die Meisterschaftsrunde schaffen, wäre das schon bemerkenswert, denn das Frankenland ist nicht nur aktuell mit den meisten Klubs in der Bundesliga am Start, sondern seit Einführung der Playoffs mit drei Runden zur Saison 1985/86 auch immer mindestens durch einen Klub vertreten gewesen. Endet diese Serie? In ein paar Spieltagen wissen wir mehr …
Zur Person:

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.