Knapp vier Wochen liegt das vierte Finale zwischen Ulm und Bonn zurück, das diesen denkwürdigen Playoffs einen großartigen Abschluss bescherte. Seitdem hat es die ersten personellen Veränderungen gegeben. „Die Marktgesetze machen nie Pause“, formulierte der Präsident der Telekom Baskets Bonn, Wolfgang Wiedlich, angesichts des Abgangs seines Erfolgstrainers Tuomas Iisalo treffend. Aber die Rheinländer müssen nicht nur ihren Head Coach ziehen lassen, sondern erfahren auch beim spielenden Personal einen kräftigen Aderlass.
Der Fluch des Erfolges und die Gesetze des Marktes gehen oftmals Hand in Hand. Das spüren neben den Bonnern auch Ludwigsburg, Würzburg und Göttingen, die ebenfalls zu den positiven Überraschungen der vergangenen Spielzeit zählten. Auch diese Klubs stehen vor einem Neuanfang. Ich kann und will nicht alle Personalrochaden einordnen, zumal noch viele weitere folgen werden. Aber nach den Wechseln von Paul Zipser und Luke Sikma, auf den ich im Nachschlag dieses Nachschlags besonders eingehe, halte ich es für angebracht, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.
Interessante Wechsel innerhalb der Liga
Der neue Oberförster Roel Moors forstet den gerodeten Bonner Wald mit Bäumen seiner alten Reviere auf. Chris Sengfelder kommt aus Bamberg, Harald Frey und Till Pape spielten unter dem Belgier in Göttingen. Dieses Trio muss sich auf eine in der letzten Saison weit nach oben verschobene Messlatte einstellen.
Stichwort Trio: Braunschweig verliert mit David Krämer, Robin Amaize und Benedikt Turudic wichtige Stützpfeiler seines deutschen Gerüstes. Es dürfte für die Löwen unmöglich sein, adäquaten Ersatz zur Gebäudestabilisierung zu finden.
Mit Len Schoormann und Nelson Weidemann stehen zwei noch junge deutsche Spieler nach ihren Wechseln vor einer wichtigen Saison. Zwar ist Schoormann immer noch erst 20 Jahre jung, aber nachdem ihm weder in Frankfurt noch in Hamburg der Durchbruch gelungen ist, sollte er jetzt in Oldenburg einen großen Schritt machen. Der 24-jährige Weidemann steht in München vor der Herausforderung, bei einem Euroleague-Team Akzente zu setzen.
Paul Zipser hingegen verlässt die Bayern (vorübergehend?), um auf Leihbasis in seiner Heimatstadt Heidelberg zu alter Stärke zurückzufinden. Diese Regelung ergibt für beide Klubs und den Spieler Sinn. In der vergangenen Saison begab sich der Ex-NBA-Spieler nach seiner Hirnblutung 2021 auf den Comeback-Pfad, den er nun in Heidelberg mit mehr Spielzeit weiterbeschreiten möchte.
Goodbye Deutschland
Der Deutsche Meister verliert mit Bruno Caboclo und David Fuchs zwei Big Men. Ja, Caboclo war wichtig für die Ulmer, aber der Hype um den Brasilianer eine halbe Nummer zu groß. Seine Schwächen in den Bereichen Konzentration sowie physische und mentale Härte haben dann letztlich dafür gesorgt, dass es nicht die Euroleague, sondern „nur“ Venedig geworden ist. Fuchs wechselt ans College nach Rhode Island. Warum ist das erwähnenswert? Ganz einfach, weil die NCAA keine Amateurliga mehr ist und zu befürchten steht, dass wir deshalb wieder mehr junge Talente dorthin verlieren werden.
Stichwort junges Talent: Roy Krupnikas verlässt Rostock, um sich ASVEL Villeurbanne anzuschließen. Der erst 16-jährige Point Guard spielte in der vergangenen Saison zwar nur vier BBL-Minuten, verfügt aber aus meiner Sicht über großes Potenzial. Schade, dass es nicht gelungen ist, diesen Spieler in Deutschland zu halten.
Das hat auch bei Leon Kratzer und Michael Kessens nicht funktioniert, die ihrem Coach Tuomas Iisalo nach Paris folgen. Hier muss hinterfragt werden, warum Akteure, die in der BBL aufgrund ihres deutschen Passes über einen höheren Marktwert als in Frankreich verfügen sollten, die Liga verlassen.
Kochs Nachschlag
Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich ein riesiger Fan von Luke Sikma bin. Nach sechs Jahren in Berlin verlässt er die Albatrosse als Klublegende. Wo fange ich an? Der 33-Jährige verkörpert fairen Sportsgeist wie kein zweiter Spieler. Als Senior des Teams war er sowohl Mentor als auch Inspiration für seine Mannschaftskameraden und prägte die Spiel- und Teamkultur. Der Amerikaner ist einer der besten Power Fowards in Europa und sein Passspiel, das Element, das den Teamsport auszeichnet, ist unbestritten einzigartig. Mit seinem Kampfgeist, seiner Körpersprache und seiner Mimik unterstrich er immer wieder, wie sehr er den Wettkampf liebt. Wir werden den Menschen und Basketballer Luke Sikma in der BBL vermissen. Aber zum Glück bedeutet sein Abschied aus Deutschland noch nicht das Karriereende. Danke, Luke! Viel Erfolg und alles Gute in Piräus!

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.