Das olympische Basketballturnier geht in die Knockout-Phase. Während man in den Gruppenspielen einen Ausrutscher noch korrigieren konnte, ist im Viertelfinale am Dienstag eine Niederlage gleichbedeutend mit dem Ausscheiden und damit mit dem Ende aller Medaillenträume. Die deutschen Männer haben in Lille bislang überzeugt und nahtlos an ihre großartigen Vorstellungen bei der WM im letzten Jahr angeknüpft. Ich bin sehr optimistisch, dass die Mannschaft von Gordon Herbert den guten Rhythmus und das Selbstvertrauen mit nach Paris nimmt. In diesem Nachschlag möchte ich kurz die deutschen Leistungen der Vorrunde einordnen, ausführlicher auf das Viertelfinale gegen Griechenland blicken und noch die drei anderen Begegnungen in der Runde der letzten Acht streifen.
Die Topspieler und das Team liefern ab
Die fast schon perfekte Symbiose aus Starpower und Teamplay zeichnete die deutsche Mannschaft bei ihren drei Auftritten besonders aus. Dennis Schröder hat sich noch einmal gesteigert und ist mit neun Assists pro Spiel der beste Vorlagengeber des Wettbewerbs. Dazu trifft der Kapitän knapp 41 Prozent seiner Dreier. Der Wurf von außen ist das einzige Fragezeichen bei Franz Wagner, der bislang starke 21,7 Punkte (3. im Turnier) auflegt. Aber ich sehe neben den beiden Topstars noch zwei weitere Spieler, die eine namentliche Erwähnung verdienen. Die Effizienz von Daniel Theis ist an beiden Enden des Feldes herausragend, und Isaac Bonga brilliert als schweizer Taschenmesser, das bislang sieben von zehn Dreierversuchen versenkt hat. Alle diese individuellen Leistungen sind harmonisch in einen emotionalen und spielerischen Teamrahmen mit hoher Rollenakzeptanz eingebettet.
Fast alles spricht für Deutschland
Bei den Europameisterschaften vor zwei Jahren setzte sich Deutschland im Viertelfinale mit 107:96 gegen Griechenland durch. Damals war Giannis Antetokounmpo mit seinen Hellenen noch als Favorit in die Begegnung gegangen. Diesmal ist das anders. Deutschland ist personell stärker besetzt als bei der Heim-EM. Aber nicht nur das. Jeder einzelne Spieler und auch die Mannschaft sind in diesen beiden Jahren gewachsen. Deutschland geht als Weltmeister und nach der überzeugenden Vorrunde mit breiter Brust in diese Partie. Griechenland verfügt nicht über genügend Breite auf diesem Niveau. Zwar hat es der neue Nationaltrainer Vassilis Spanoulis verstanden, seinen Superstar im FIBA-Basketball effektiver zu nutzen als sein Vorgänger, aber die Kontrahenten versuchen natürlich weiterhin, dem zweimaligen NBA-MVP den Weg zum Korb zur versperren. Entsprechend brauchen die Griechen gute Quoten von außen. Aber genau die haben sie bislang nicht geworfen. Mit 30,3 Prozent ist der deutsche Viertelfinalkontrahent die schlechteste Mannschaft des Turniers von der Dreipunktelinie. Also benötigt Griechenland leichte Körbe im Umschaltspiel, in dem Antetokounmpo kaum zu kontrollieren ist. Aber diese Gelegenheiten werden begrenzt sein, weil sich Deutschland nur zehn Ballverluste pro Partie erlaubt. Das sind die wenigsten bei Olympia. Giannis ist mit 27 Punkten im Schnitt bislang der klare Topscorer des Turniers, aber mit Daniel Theis wird er auf einen exzellenten Verteidiger treffen, der ihn aus der NBA kennt. Thomas Walkup, Kostas Papanikolaou und Dinos Mitoglou müssen einen starken Tag erwischen und ihren Superstar mit zweistelliger Ausbeute unterstützen. Aber auch dann glaube ich, dass Deutschland immer noch das bessere Team sein wird.
USA, Serbien und Kanada
Neben der DBB-Auswahl sehe ich die USA, Serbien und Kanada im Halbfinale. Damit hätten wir exakt die gleichen vier Mannschaften in der Vorschlussrunde wie bei der WM im vergangenen Jahr. Die USA sehe ich gegen Brasilien ungefährdet. Serbien – Australien und Kanada – Frankreich dürften enger werden. Wenn die verunsicherten Gastgeber das Viertelfinalaus verhindern wollen, müssen sie ihren Größenvorteile nutzen und dürfen gleichzeitig keine Anfälligkeit gegen den großen kanadischen Druck am Ball zeigen.
Kochs Nachschlag
Natürlich überschatten die herausragenden deutschen Auftritte (Frauen, 3x3 Frauen, Männer) bei Olympia im Moment alles. Aber ich habe mir am Sonntag auch ein Spiel angesehen, das nicht in Frankreich, sondern in Finnland ausgetragen wurde. Dabei besiegte Deutschland im Finale der U18-Europameisterschaften Serbien mit 93:83! Dadurch gewann die Mannschaft von Alan Ibrahimagic den ersten kontinentalen Titel für den DBB im männlichen Nachwuchsbereich. Dieser Erfolg unterstreicht, wie weit der deutsche Basketball auf allen Ebenen vorangekommen ist. Und ich bin optimistisch, dass in Paris erstmals eine deutsche Mannschaft olympisches Edelmetall gewinnen wird.
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.
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