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Home/Newscenter/Der Aufsteiger Kevin Yebo und der Paradigmenwechsel rund um die Nationalmannschaft

Kochs NachschlagDer Aufsteiger Kevin Yebo und der Paradigmenwechsel rund um die Nationalmannschaft

08. Februar 2024

Vor den Weltmeisterschaften im letzten Jahr hatte Kevin Yebo eigentlich eine Entscheidung bezüglich seiner (noch nicht begonnen) Nationalmannschaftskarriere getroffen. Der Chemnitzer Center wollte für die Elfenbeinküste, das Geburtsland seines Vaters, auflaufen. Aber nach Rücksprache mit seinem Verein sagte er das Turnier dann doch ab, um sich auf die Saisonvorbereitung mit den NINERS zu konzentrieren. Zuletzt erteilte er auch Bundestrainer Gordon Herbert einen Korb, der ihn gerne für das Länderspielfenster im Februar nominiert hätte (hier die Nominierungen für die EM-Quali im Februar). Mit dem Thema Nationalmannschaft möchte sich Yebo erst nach Saisonende auseinandersetzen und bis dahin seinen Fokus komplett auf den Verein legen. 

Diese Umstände sind Anlass, in diesem Nachschlag gleich zwei Entwicklungen näher zu beleuchten. Da ist einerseits der fast schon kometenhafte Aufstieg des Kevin Yebo und andererseits der Paradigmenwechsel bezüglich potenzieller Spieler für die Nationalmannschaft. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass der effektivste deutsche Spieler der Liga nicht automatisch ein (sicherer) Kandidat für die Nationalmannschaft gewesen wäre. Dass sich das verändert hat, unterstreicht wie groß der Talentpool vor allem auf den großen Positionen geworden ist.

Spätstarter auf der Überholspur

Nach zwei Jahren in der zweiten Liga wechselte Kevin Yebo im Sommer 2022 zurück ins Oberhaus, in dem er bei seinem ersten Versuch 2019/20 in Hamburg noch nicht Fuß fassen konnte. Die NINERS Chemnitz gaben Yebo eine zweite Chance, die der gebürtige Bonner in einer Art und Weise nutzt, die kein Experte auch nur annähernd prognostiziert hatte. In seiner ersten Saison bei den ambitionierten Sachsen avancierte der 2,07-Meter-Mann zum Aufsteiger schlechthin, indem er in nicht einmal 20 Minuten Spielzeit 12,7 Punkte und 5,7 Rebounds beisteuerte. Damit war er der effektivste deutsche Spieler der Liga. In der aktuellen Runde leuchtet sein Stern noch heller: 17,6 Punkte und 6,4 Rebounds in nur 22 Minuten sind amtliche Zahlen! Damit führt er die Rangliste der deutschen Spieler in den beiden wichtigsten Kategorien an, selbstredend liegt er auch bei der Effektivität wieder ganz vorne. On Top glänzt Kevin Yebo als bester Scorer des Überraschungstabellenführers und erzielt die sechstmeisten Zähler der Liga. Dafür benötigt er nur exakt acht Versuche aus dem Feld, womit er irgendwo zwischen Platz 60 und 70 rangiert! Wie zum Teufel geht das? Yebo wirft extrem starke Quoten (72,7 Prozent Zweier und 47,4 Prozent Dreier)! Außerdem hat er Bett und Herd an der Freiwurflinie aufgestellt. Keiner erhält dort mehr Versuche als der Chemnitzer (bei seinem 33-Punkte-Spiel in Heidelberg waren es 19!), was unterstreicht, wie kompromisslos er den Korb attackiert. Der 27-Jährige ist pure Intensität, ackert unaufhörlich und gönnt seinen Kontrahenten keine Sekunde Verschnaufpause.

Der beschwerliche Weg nach oben

Kevin Yebo ist ein Teil der Erfolgsstory der NINERS Chemnitz und umgekehrt. Aber der Weg nach oben verlief für den Sohn einer Deutschen und eines Ivorers alles andere als geradlinig. Yebo, der auch als Maler begabt ist, verbrachte drei Jahre in einem Kinderheim. Zum Basketball kam er erst mit 16 Jahren, nachdem ihn der Streetworker Joe Asberry (früher selber Profi) angesprochen hatte. Unmittelbar vor einem Probetraining bei den Telekom Baskets Bonn packte Yebo in der Kabine seine Sachen wieder ein, weil ihn ein anderer Jugendlicher mit Blick auf sein abgetragenes Schuhwerk entmutigt hatte. Aber Yebos Liebe zum Spiel und sein Ehrgeiz („Ich bin ein sportlicher Streber“) waren längst geweckt, so dass er täglich alleine auf dem Freiplatz trainierte. Über die SG Sechtem, die NBBL in Leverkusen, die Regionalliga in Limburg und die zweite Bundesliga in Ehingen erhielt er 2019 in Hamburg seinen ersten Bundesligavertrag. Heute sagt er, dass er vor allem außerhalb des Feldes noch nicht bereit gewesen sei. Es habe ihm die professionelle Mentalität gefehlt. So ging es erst einmal in die ProA zurück, wo er mit zwei guten Jahren in Bremerhaven das Interesse der NINERS weckte. 

Die Leistungen stimmen, und der Vertrag läuft aus – es ist zu erwarten, dass Yebo im Sommer einer der gefragtesten Spieler auf dem Transfermarkt sein wird. Seine Qualitäten sind längst auch im Ausland bekannt.

Alte und neue Gedankenspiele zum Thema Nationalmannschaft

Kevin Yebo denkt über einen Einsatz für die Elfenbeinküste nach, Martin Breunig vom SYNTAINICS MBC, der ebenfalls zu den besten deutschen Spielern der Liga gehört, spielt für Thailand, das Heimatland seiner Mutter. Christian Standhardinger, der genauso wie Breunig im Jugendbereich für den DBB aktiv war, lief von 2017 bis 2023 für die Philippinen auf, da er aufgrund seiner Mutter auch über die philippinische Staatsbürgerschaft verfügt. Deutsche Spieler suchen mittlerweile Chancen, in anderen Verbänden international zu spielen. Das war früher unüblich, da war es eher so, dass der DBB sich bemühte, den A-Kader durch Einbürgerungen zu verstärken. Beispiele gefällig?

Ihr alle kennt Louis Olinde von ALBA BERLIN, aber kennt ihr auch seinen Vater? Wilbert Olinde kam 1977 nach Göttingen, nachdem er an der UCLA am Ende der großen John-Wooden-Ära einen Karriereschnitt von 2,3 Punkten aufgelegt hatte. Das war vor knapp fünfzig Jahren tatsächlich genug, um ein herausragender Amerikaner im deutschen Oberhaus zu sein. Olinde Senior führte Göttingen als Kapitän zu mehreren deutschen Meisterschaften. 1983 erhielt er seinen deutschen Pass, und 1986 debütierte er in der Nationalmannschaft. 

In den 2000er Jahren griff der DBB dann zwei Schubkästen höher ins Regal. Für die EM 2001 wurde mit dem 2,29 Meter großen Shawn Bradley einer der längsten NBA-Spieler aller Zeiten eingebürgert. Damit konnte sich Bundestrainer Henrik Dettmann nur schwer identifizieren. Offensichtlich hatten der Verband und sein oberster Übungsleiter diesbezüglich konträre Vorstellungen. Jedenfalls passte der zweite Pick des Draftjahrgangs 1993 nicht sonderlich gut zum von Dettmann präferierten und auf Bewegung und Tempo basierenden Stil. Unmittelbar vor dem Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2008 erhielt Chris Kaman kurzfristig einen deutschen Pass. Auch er war ein NBA-Veteran, der zwei Jahre später sogar im All-Star-Game auflaufen sollte. Julian Sensley und Makai Mason waren zwei weitere US-Spieler, die mit deutschem Pass ein paar Mal für die DBB-Auswahl aufliefen.

Dass der Gedanke der Qualitätssteigerung durch eingebürgerte Spieler immer noch aktuell ist, zeigt Nick Weiler-Babb. Der Bayernprofi wurde für die EM 2022 mit einem deutschen Ausweis versehen. Davor und danach wurde auch der Name Austin Reaves gehandelt. Dann aber entschied sich der Shooting Guard der Los Angeles Lakers im Sommer vergangenen Jahres, für die USA zu spielen.

Kochs Nachschlag

Wie das alles einzuordnen ist? Es spricht komplett für die Qualität, über die der deutsche Basketball mittlerweile verfügt! Früher wurde Spielern aus dem Ausland ein deutscher Pass besorgt, damit sie für die DBB-Auswahl bei großen Turnieren spielen, heute geht es auch andersrum: deutsche Spieler kriegen einen ausländischen Pass, damit sie für andere Länder bei großen Turnieren spielen – und können sich damit einen Traum erfüllen, der ihnen sonst aufgrund der Leistungsdichte im deutschen Kader vielleicht verwehrt geblieben wäre.

Und andersherum werden NBA-Profis beim DBB nicht mehr unbedingt mit Kusshand genommen: Austin Reaves spielte bei der WM für die USA und unterlag mit seiner Mannschaft im Halbfinale dem späteren Weltmeister Deutschland. Man kann sich zurecht die Frage stellen, ob der 25-Jährige mit seinen defensiven Schwächen der DBB-Auswahl wirklich weitergeholfen hätte. Weiler-Babb ist ein herausragender Verteidiger. Auch das spricht Bände. Deutschland besitzt so viele Talente, die offensiv ein Spiel gestalten können, dass man sich bei einer Einbürgerung auf einen defensivstarken Spieler fokussiert. Und Deutschland besitzt so viele Talente, dass für einen Kevin Yebo, der als effektivster deutscher Bundesligaspieler eine herausragende Saison spielt, nicht automatisch ein Platz im Auswahlteam zur Verfügung steht, weil es auf den großen Positionen reihenweise NBA- und Euroleague-Spieler gibt: Johannes Thiemann, Johannes Voigtmann, Moritz Wagner, Daniel Theis, Oscar da Silva, Tibor Pleiß, Isaiah Hartenstein, Maxi Kleber.

Aber um den Kreis rund zu machen: Wenn Kevin Yebo so weitermacht, wer weiß, wo er dann noch landen wird?

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.

Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.