Stand: NINERS Chemnitz (4) – MLP Academics Heidelberg (5) 0-0
Titel: Chemnitz: Sieger des FIBA Europe Cups 2024 / Heidelberg: Deutscher Meister 1957, 1958, 1959, 1960, 1961, 1962, 1966, 1973, 1977 – Deutscher Pokalsieger 1977, 1978
Die besondere Brisanz liegt schon allein im Duell zwischen dem Vierten und dem Fünften, denn spannender kann eine Playoff-Serie zwischen zwei Tabellennachbarn, welche die Hauptrunde mit der gleichen Bilanz von 18-14 inmitten eines historisch einzigartigen Vierer-Vergleichs beendet haben, ja eigentlich nicht sein, oder? Seit der Saison 2000/01, seit der sich auch der Tabellenfünfte direkt für das Playoff-Viertelfinale qualifiziert, haben diese immerhin in zehn von 23 Duellen gegen den Vierten gewonnen. Spannung ist also garantiert, denn immerhin acht Serien zwischen dem Vierten und Fünften gingen über die volle Länge von fünf Spielen. Und die Heidelberger haben Chemnitz in dieser Saison bereits einmal ausgeschaltet – und zwar im Pokal-Achtelfinale (siehe Saisonduelle). Eine Experten-Einschätzung zur Serie - auch der zwischen den Basketball Löwen Braunschweig und den FIT/ONE Würzburg Baskets - gibt es hier in der Kolumne "Kochs Nachschlag".
Status Quo: Heidelberg mühte sich am letzten Hauptrundenspieltag gegen den Vorletzten durch die Verlängerung, der 84:75-Heimerfolg gegen die SKYLINERS war aber enorm wichtig: Bei einer Niederlage hätte das Team von Headcoach Danny Jansson in die Play-Ins gemusst. Beim zweiten Sieg in Serie avancierte DJ Horne erneut zum Topscorer. Chemnitz verlor bei den EWE Baskets Oldenburg mit 94:104. In der jüngeren Vergangenheit stellte die Mannschaft von Rodrigo Pastore eine der stärksten Verteidigungsreihen der Liga, doch die Partie in Oldenburg war die vierte aus den letzten fünf Hauptrundenspielen, in denen Chemnitz hundert Punkte oder mehr kassierte.
Rekordverdächtig: Heidelberg hat es erstmals seit der Saison 1977/78 wieder in die Postseason geschafft, damit ist eine Durststrecke von 46 Jahren beendet. Keine andere Playoff-Mannschaft wartete länger auf eine weitere Endrundenteilnahme. Heidelberg ist also Playoff-Rückkehrer, Chemnitz etabliert sich als Dauergast: Die Saison 2024/25 ist die vierte in Serie, in der die Sachsen an der Endrunde teilnehmen. Klingt nicht viel? Nur Ulm, München und Berlin weisen eine solche bzw. längere Serie auf.
Duelle im Fokus: Wenn es eine Auszeichnung des besten Rookies der Liga gäbe, DJ Horne hätte gute Chancen gehabt, den Award abzuräumen. Der Point Guard der MLP Academics Heidelberg lief in der vergangenen Saison in der NCAA für das North Carolina State Wolfpack auf und führte sein Team durch 29 Punkte im Endspiel der ACC-Conference ins große NCAA-Tournament – er versteckt sich also nicht auf der großen Bühne. In seinem ersten Profijahr zeigte der 24-Jährige wenig Anlaufschwierigkeiten, erzielte in der Hauptrunde durchschnittlich 14,6 Punkte, 2,7 Rebounds sowie 2,1 Assists und knackte neunmal die Marke von 20 Zählern, achtmal davon seit März – Horne ist heiß. Auf der Gegenseite ist Jacob Gilyard auch das erste Mal in Europa aktiv. Der 26-jährige Spielmacher hat seine College-Karriere zwar schon 2022 beendet, war seitdem aber nur in der G-League aktiv. Gilyard kam als Nachverpflichtung Anfang Februar nach Chemnitz, fügte sich aber nahtlos ein und markierte als effektivster Chemnitzer Spieler in der Hauptrunde 12,3 Zähler, 2,9 Rebounds und 7,0 Assists pro Partie. Hinter Oldenburgs Geno Crandall hat Gilyard ligaweit die zweitmeisten Assists verteilt.
In Chemnitz' Backcourt sticht zudem Victor Bailey Jr. hervor, mit 15,1 Punkten pro Partie ist der Shooting Guard teaminterner Topscorer, was Bailey auch im Pokal-Duell gegen Heidelberg mit 22 Punkten war. In drei seiner letzten vier Partien hat er mindestens 23 Punkte aufgelegt und in dieser Phase auch seinen Saisonbestwert aufgestellt (32 Punkte gegen Ludwigsburg). Baileys Leistung ist umso bemerkenswerter, weil er in der vergangenen Saison noch in der ProA für Karlsruhe auflief … und dort übrigens Teamkollege von Heidelbergs Bakary Dibba war. Der Power Forward hat in seiner ersten Saison in der Beletage immer wieder auf sich aufmerksam gemacht, vor allem mit spekatulären Highlights an beiden Enden des Feldes (siehe bspw. hier). Seine 9,9 Punkte, 4,1 Rebounds, 1,2 Steals, 1,1 Assists und 0,9 Blocks pro Spiel zeugen zudem von Vielseitigkeit. Die beiden ehemaligen Teamkollegen sind also die nächsten Spieler, die den Übergang von der ProA in die Beletage problemlos gemeistert haben: Man denke zudem an Braunschweigs TJ Crockett Jr. in der vergangenen Saison oder den damaligen Würzburger Stanley Whittaker ein Jahr zuvor. Aber bestätigen Bailey und Dibba das nun auch auf großer Playoff-Bühne?
Auf Dibba wird in der Serie mehr Verantwortung zukommen, denn auf den großen Positionen treten die Heidelberger ersatzgeschwächt an: Starting-Center Osun Osunniyi zog sich im Spiel gegen Vechta am 30. April eine Kniegelenkprellung zu und fällt mehrere Wochen aus, Dibba muss nun auch gegen die ganzen großen Jungs ran. Mit Marcel Keßen hat Heidelberg nur noch einen etatmäßigen Center, der gegen Frankfurt mit 18 Punkten zwar seinen Karrierebestwert aufstellte, aber gegen Chemnitz gegen einige physische Big Men ran muss: Jeff Garrett, Olivier Nkamhoua und Jonas Richter sind aus massiverem Holz geschnitzt. Ein besonderes Duell dürften sich dabei Dibba und Nkamhoua liefern. Die beiden trafen mit Dänemark (Dibba) und Finnland (Nkamhoua) in der EM-Qualifikation aufeinander, im letzten Qualifikationsspiel sicherte sich Topscorer Nkamhoua mit Finnland den 83:77-Sieg in Dänemark und schnappte damit Dibba und Co. das EM-Ticket weg.

Der X-Faktor: Im Chemnitzer Frontcourt wäre natürlich Rückkehrer Kevin Yebo zu nennen. Nach dem Abstecher nach München spielte Yebo in Chemnitz so stark auf, als wäre er nie weg gewesen. Mit 13,3 Punkten in 20:22 Minuten pro Spiel zeigte der Center erneut, dass er von der Bank ein Spiel im Handumdrehen übernehmen kann. Auch Heidelberg hat eine starke Option von der Bank: Michael Weathers ist nicht nur einer der sprunggewaltigsten Spieler der Liga, sondern nach dem Abgang von Alex Barcello übernimmt der Shooting Guard auch immer wieder den Spielaufbau. Beweis gefällig? Im letzten Hauptrundenspiel gegen Frankfurt verteilte er elf Assists und punktete zum zehnten Mal nacheinander zweistellig. Zum Ende der Hauptrunde hat sich Weathers somit zum effektivsten Heidelberger gemausert!
Der Anführer: Diesen Status hat bei Heidelberg Ryan Mikesell inne. Der Small Forward ist mit durchschnittlich 14,8 Punkten, 5,6 Rebounds, 3,3 Assists und 1,1 Steals einen der vielseitigsten Spieler der Liga – mit ein Grund, warum der 28-Jährige bei der MVP-Wahl auf dem dritten Platz gelandet ist. Mikesell kannte Trainer Jansson bereits aus gemeinsamer Zeit in Tübingen und benötigte daher wenig Anlaufzeit, um in dessen System zu überzeugen. Das tut Mikesell gerne am Zonenrand, wo er Mismatches sucht und findet. Ligaweit hat er die viertmeisten Minuten abgespult (31:29 MPG). Eine Schwachstelle Mikesells ist der Dreier, der nicht konstant fällt, womit wir bei DeAndre Lansdowne sind. Offensiv tat sich der erfahrene Guard in dieser Saison schwer, am Anfang musste er viel Verantwortung auf der Eins übernehmen; sein Punkteschnitt fiel von 12,0 in der Vorsaison auf 9,0 Punkte. Doch gerade in den Playoffs wird Lansdowne seine Erfahrung einbringen, zumal er nun auch wieder selbst seinen Rhythmus gefunden zu haben scheint: In den letzten fünf Hauptrundenspielen punktete er zweistellig.
Die Local Heroes: Mit Heidelbergs Paul Zipser und Niklas Würzner sowie Chemnitz' Jonas Richter sind gleich drei Lokalmatadoren in der Serie aktiv – wobei abzuwarten bleibt, wie aktiv das Trio wirklich sein wird. Zipser (8:53 Minuten pro Spiel) und Würzner (7:05 min.) waren im Saisonverlauf selten Teil der großen Rotation, aber: Nach der Verletzung von Osun Osunniyi änderte Jansson seine Startformation, machte sie kleiner und stellte Zipser in die erste Fünf. Bei Chemnitz ist Richter zwar in 18 seiner 31 Spiele gestartet, seine Einsatzzeit (15:17 min.) hat sich im Vergleich zur Vorsaison ebenso reduziert wie seine Punkte- (4,8 Punkte pro Spiel) und Rebound-Ausbeute (2,9 Rebounds).
Die Trainer: Der eine steht seit 2015 an der Seitenlinie der NINERS Chemnitz, der andere übernahm erst im vergangenen Sommer den Trainerposten bei den MLP Academics Heidelberg. Pastore und Jansson mögen bezüglich ihrer Amtszeit deutlich auseinander liegen, haben aber auch Gemeinsamkeiten; denn sie stehen beide auch für Erfolg. Pastore wurde in der vergangenen Saison zum Trainer des Jahres gewählt, als der Argentinier den Klub zum ersten Titel der Vereinsgeschichte führte, dem Gewinn im FIBA Europe Cup. Jansson landete bei der diesjährigen Wahl auf dem zweiten Platz, die Heidelberger verbesserten sich vom 16. Platz in der Vorsaison auf den fünften Rang. Kein Team hat einen größeren Sprung gemacht.
Zahlen, bitte: Chemnitz hat im Ligabetrieb 13 Spiele absolviert, die mit maximal sechs Punkten Differenz entschieden wurden – keine andere Mannschaft stand in mehr solcher engen Spiele auf dem Parkett. Neun Partien hat die Pastore-Truppe davon gewonnen, macht eine Siegquote von 69,2 Prozent. Dieser Wert wird in der Liga nur von einer Mannschaft überboten: Heidelberg. Die MLP Academics gewannen sieben ihrer zehn Begegnungen mit maximal sechs Punkten Differenz, was eine Siegquote von 70,0 Prozent macht. Es treffen also die beiden Crunchtime-Könige der Hauptrunde in den Playoffs aufeinander. Da versteht es sich von selbst, dass auch eines der Saisonduelle derart knapp ausging. Und es erklärt sich, warum bei so vielen engen Spielen beide Teams, - ungewöhnlich für Playoff-Mannschaften! -, eine negative Korbdifferenz aufweisen (Chemnitz: -78, Heidelberg: -19).
Die Saisonduelle: Das erste von drei Saisonduellen gab es Mitte Oktober vergangenen Jahres im Pokal-Achtelfinale, als Heidelberg Chemnitz durch einen 78:73-Heimerfolg ausschaltete; Erfolgsgarant war Ryan Mikesell mit 29 Punkten, sechs Rebounds, sechs Assists und vier Steals. Auch im Ligabetrieb gewannen jeweils das Heimteam: Die NINERS entschieden Mitte Februar das Duell mit 72:65 für sich, die MLP Academics Mitte April mit 81:66.
Ewige Bilanz: Sieben der neun Duelle gingen an Chemnitz, dabei gewannen die NINERS die ersten sechs Partien gegen Heidelberg. Heidelberg setzte sich in dieser Saison das erste Mal gegen Chemnitz in der Basketball Bundesliga durch.
Bisherige Playoff-Serien: Heidelberg und Chemnitz duellieren sich das erste Mal in einer Playoff-Serie der ersten Liga, auch in der ProA zuvor hatten sich die Wege beider Teams nicht in der Endrunde gekreuzt.
Am Rande der Bande: Wie erwähnt fällt Heidelbergs Osun Osunniyi aufgrund einer Knieverletzung mehrere Wochen aus. Die Chemnitzer traten zuletzt in voller Besetzung an, klammert man den langzeitverletzten Aher Uguak aus, der in dieser Saison nicht mehr zum Einsatz kommen wird (Riss der Patellasehne im Februar).
Anzahl der Pflichtspiele: Chemnitz hat durch die Teilnahme in der Champions League, in der sie in den Play-Ins scheiterten, mehr Partien auf dem Tacho als Heidelberg; bis hierhin 41 gegenüber 35 Pflichtspielen der Gäste.
Die größten Siege: Eine Playoff-Serie gab es zwischen diesen beiden Teams noch nie, aber schon einige knackige Duelle. Der höchste Sieg seit der easyCredit BBL-Zugehörigkeit beider Teams ging auf das Konto der NINERS. Im Dezember 2023 gewannen sie ein Heimspiel mit 24 Punkten Differenz (93:69), in dem sechs Spieler zweistellig punkteten. Davon sind jetzt noch bzw wieder im Kader Lansdowne, Yebo, Richter und der verletzte Uguak. Einer der deutlichsten Siege für Heidelberg datiert sogar noch aus gemeinsamer ProA Zeit. Im Oktober 2016 gewannen die MLP Academics ebenfalls ein Heimspiel mit 26 Punkten Unterschied (80:54). Von damals stehen einzig noch Richter bei Chemnitz und Niklas Würzner bei Heidelberg im Kader ihrer Teams. Würzner hatte damals dafür einen echten Sahnetag: Er verfehlte nur einen seiner acht Würfe und kratzte mit 23 Punkten knapp an seiner persönlichen Bestleistung von 24 Punkten, die in der ersten Liga mit 14 Punkten noch etwas dahinter zurücksteht.
Meilensteine: Würzner wird mit dem Playoff-Auftakt in Chemnitz sein 100. Spiel in der Basketball Bundesliga absolvieren.
Alte Bekannte: Chemnitz' Victor Bailey und Heidelbergs Bakary Dibba spielten vergangene Saison zusammen in Karlsruhe. Chemnitz' Nicholas Tischler und Heidelbergs Mateo Seric liefen von 2019 bis 2021 gemeinsam beim Bamberger Nachwuchsteam in Baunach auf.
Im Blick des Bundestrainers: Die Spieler, welche bereits für den DBB aufliefen sind Tischler, Richter sowie Zipser.
Sonstiges: Die Heidelberger sind neben Braunschweig eines von nur zwei Teams der Liga ohne Nachverpflichtung, die Chemnitzer eine von fünf Mannschaften, die ihr Wechselkontingent ausgeschöpft haben, dabei das einzige auf den sicheren Playoff-Plätzen.
Beide Teams feiern in dieser Saison ein Jubiläum: Chemnitz sein 25-jähriges, Heidelberg sein 125-jähriges Bestehen.
Warnende Worte: "Wir haben noch eine Rechnung offen", sagte NINERS-Geschäftsführer Steffen Herhold dem mdr. Damit meint er unter anderem, dass Heidelberg Chemnitz im BBL Pokal um eine Titelchance gebracht hat. Zudem baut das Team aus Sachsen natürlich auch auf den Heimvorteil, der bei Herhold auch Zuversicht hervorruft: "Wir starten zuhause mit 5.000 Fans im Rücken. Da geht viel." Diese Favoritenrolle gesteht Heidelbergs Sportlicher Leiter Alex Vogel dem Gastgeber gerne zu und sagte auf sportschau.de: "Wir sind der Underdog." Na klar, Saisonziel Klassenerhalt locker erreicht; alles, was jetzt kommt, ist Bonus - aber seine Aussage: "Wir haben wirklich eine außergewöhnliche Teamchemie und selbst die Spieler sagen, dass das einmalig ist und dass sie das so zuvor noch nicht hatten", lässt auch aufhorchen.
M/W/D – German Basketball is mad sexy: Welcome to Playoffs, Baby! Es geht in die heißeste Phase des Basketballjahres, mehr brauchen wir hier dieses Mal nicht zu schreiben, oder?
Fernsehen / Livestream: Die Partie wird Samstag ab 16:45 Uhr live bei Dyn übertragen. Kommentator vor Ort ist Arne Malsch. Dyn ist das Zuhause der Basketballfans. Der Sender strahlt alle Begegnungen der easyCredit BBL, des BBL Pokals sowie Spiele der Basketball Champions League und des FIBA Europe Cups aus. Das umfangreiche Basketball Live-Programm wird von redaktionellen Formaten ergänzt, die auf der Dyn-Plattform und im Anschluss über die Social-Media-Kanäle von Dyn frei empfangbar sein werden. Dyn ist über den Webbrowser, Mobilgeräte, Tablets, Streaming-Sticks und Smart-TVs verfügbar. Für Sportfans, von Sportfans. Dyn Basketball. Dein Sender. Dein Sport.