Die sogenannten „Qualifikationsfenster“ sind mit anderen Vibes verbunden als eine EM, WM oder die Olympischen Spiele. Trainer, Journalisten und Öffentlichkeit stellen sich die (manchmal bange) Frage, wer von den Topspielern dabei sein wird.
Es ist klar, dass die NBA-Akteure für diese Fenster nicht zur Verfügung stehen. In der Vergangenheit war es aufgrund der konträren Interessenslage von FIBA und ULEB zudem schwierig, die Euroleague-Spieler einzusetzen. Zwar spielt(e) die europäische Königsklasse auch in dieser Woche, aber schon am Dienstag und Mittwoch, sodass der DBB die Welt- und Europameister Justus Hollatz, Andreas Obst und Isaac Bonga genauso nominieren konnte wie Weltmeister David Krämer und Europameister Oscar da Silva. Da dieses Quintett in der Euroleague bereits am Dienstag spielte, ist zumindest ein gewisses Maß an Regeneration vor der Freitag-Partie in Ulm gegen Israel möglich (wobei die Bayern nach der Niederlage in Valencia schrieben, dass nur da Silva und Hollatz zum DBB-Team stoßen würden). Weiter geht es dann mit dem zweiten Spiel dieses Fensters am Montag auf Zypern (ob die Euroleague-Spieler bei der Reise zu einem zweitklassigen Gegner auch noch dabei sind, bleibt allerdings abzuwarten).
Realistische Chancen auf die WM-Teilnahme
Im Jahrgang 2006 gibt es zwei herausragende Guard-Talente. Christian Anderson spielt bereits in seiner zweiten Saison bei Texas Tech, und der für das Fenster nominierte Jack Kayil ist für einen Zwischenstopp vor dem College in seine Heimatstadt Berlin zurückgekehrt, wo er sich sofort als Leistungsträger etabliert hat. Kayil kann scoren, vorbereiten, ist athletisch und trifft gute Entscheidungen im Pick and Roll (seine Highlights unten von seinem zweiten Länderspiel gegen Schweden veranschaulichen das sehr gut). Dass Anderson und er 2027 schon dabei sind, ist unwahrscheinlich, aber für einen könnte es reichen.
Kommen wir zu den Spielern, die in den vergangenen drei Jahren Titel mit der Nationalmannschaft gewonnen haben. Sollten sie sich nicht verletzen, wären Andreas Obst und Isaac Bonga für mich gesetzt. Obst ist einer der besten Werfer der Welt und verfügt darüber hinaus auch in allen anderen Bereichen über überdurchschnittliche Fähigkeiten. Bei Bonga ist seine Defensive die herausstechende Qualität, aber auch er ist darüber hinaus ein beeindruckender Allrounder (wie unten seine Highlights vom EM-Finale verdeutlichen). Beide Spieler waren Eckpfeiler beim WM-Titel 2023 und beim Gewinn der Europameisterschaft 2025.
Justus Hollatz müsste sich gegen den möglicherweise zurückkehrenden Nick Weiler-Babb sowie Kayil und Anderson durchsetzen. Bei David Krämer könnte es ein Faktor werden, wie Alex Mumbru das Team bauen will. Sieht er in seinem Konstrukt Tristan da Silva als Shooting Guard oder als Small Forward?
Und wenn wir von einer Rückkehr von Moritz Wagner ausgehen und eine Teilnahme von Hartenstein zumindest in Erwägung ziehen, könnte es für Oscar da Silva auf den großen Positionen eng werden; vor allem, wenn einerseits die Routiniers Johannes Voigtmann, Johannes Thiemann und Daniel Theis ihre Leistungsfähigkeit und ihren Ehrgeiz behalten und andererseits die junge Garde die nächsten Schritte gehen sollte. Ariel Hukporti (23 Jahre) spielt in der NBA, und Sananda Fru (22 Jahre) und Johann Grünloh (20 Jahre) treten genauso in der NCAA an wie die beiden 19-jährigen Hannes Steinbach und Eric Reibe. Spieler, die der Bundestrainer sehr genau beobachten dürfte.
Kochs Nachschlag
Die Mission Titelverteidigung beginnt mit der Qualifikation. Dabei ist es besonders schön, dass Alex Mumbru die Mannschaft wieder verantwortlich coachen kann. Zwar sieht man ihm noch an, dass er durch seine schwere Bauchspeicheldrüsenentzündung, die einen Krankenhausaufenthalt bis Mitte Oktober nötig machte, viel Gewicht verloren hat, aber seine Rückkehr ist eine sehr erfreuliche Meldung. Der Spanier und seine Spieler treffen in den drei Fenstern der ersten Gruppenphase neben Israel und Zypern noch auf Kroatien (im Februar in Bonn). Die ersten drei Teams ziehen in die zweite Runde ein, in die die Ergebnisse der Vorrunde mitgenommen werden.
Dann geht es gegen die drei besten Mannschaften der Gruppe F, vermutlich Lettland, Polen und die Niederlande. Aus diesem Sechserpool schaffen es dann die drei besten Teams nach Katar. Das ist machbar! Aus den Gruppen C und D prallen die Türkei, Serbien, Italien und Litauen in der zweiten Gruppenphase aufeinander, was bedeutet, dass einer dieser Nationen die Teilnahme verwehrt bleiben wird.
Aber es geht eigentlich weniger um die Qualität der Konkurrenten als um die breite Brust, mit der die deutsche Mannschaft auftreten kann. Dafür verantwortlich sind die beiden Titel und die Spieler, die in diesen Fenstern das Nationaltrikot tragen werden. Sie mögen zwar zu einem erheblichen Teil nicht die allererste Wahl sein, aber sie verfügen trotzdem über viel Klasse, was die großartige Entwicklung im deutschen Basketball unterstreicht.
Hier im ersten Teil zum DBB-Team und die WM 2027 ging es um die Spieler, die nur Außenseiter-Chancen auf den WM-Kader haben oder sogar nur auf Einsätze in der WM-Quali hoffen dürfen.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".


















