Ich muss gestehen, dass es in den vergangenen Jahren keine Spielzeit gab, vor der es mir so schwerfiel, die 18 Teams unserer Liga einzuordnen. Dennoch kann und will ich mich nicht vor einer (dreiteiligen) Saisonvorschau drücken, die ich mit den vermeintlichen Topmannschaften beginne. Ganz ehrlich, außer den Bayern musste ich bei jeder Mannschaft nachdenken, ob ich sie in diesem elitären Vorabkreis verorten kann. Da ich schon bezüglich der groben Zuordnung unsicher bin, werde ich kein Ranking vornehmen, sondern die Mannschaften alphabetisch nach ihren Standorten vorstellen.
ALBA BERLIN
Die personellen Veränderungen: Das Budget hat sich deutlich verringert, und die Zusammenstellung der Mannschaft spiegelt dies wider. Dennoch ist das deutsche Gerüst das stabilste hinter den Bayern. Mit Jack Kayil, Bennet Hundt, Sam Griesel und Norris Agbakoko haben die Berliner hier gut verpflichtet. Dabei ist vor allem der Vertrag für Agbakoko aufgrund seiner dreijährigen Laufzeit eine gute Entscheidung.
Der Ausblick: Die Berliner stehen am Scheideweg. Sollte es nicht gelingen, auf ein wie auch immer geartetes europäisches NBA-Projekt aufzuspringen, droht in den nächsten Jahren ein Absturz in die Mittelmäßigkeit.
Der Knackpunkt: Können die Albatrosse eine Saison spielen, die sie auch 2026 für deutsche und internationale Topspieler (noch) interessant macht?
MLP Academics Heidelberg
Die personellen Veränderungen: Die Academics bringen acht Rotationsspieler der Vorsaison zurück. Zudem hat man bei der Tiefe des Kaders zugelegt. Grundsätzlich können in jeder Begegnung zwölf Akteure zum Einsatz kommen. Aber mit Bakary Dibba und vor allem Ryan Mikesell mussten die Heidelberger zwei Leistungsträger ziehen lassen, sodass sich die Frage stellt, ob dieser Kader wieder über die gleiche Qualität in der Spitze verfügt?
Der Ausblick: Die Doppelbelastung mit der Basketball Champions League ist Neuland. Zudem waren die Leistungen in der Vorbereitung eher durchwachsen. Deshalb sehe ich eine direkte Playoff-Teilnahme nur, wenn alle Teile erneut perfekt ineinanderpassen.
Der Knackpunkt: Kann Coach Danny Jansson alle Spieler in diesem tiefen Kader glücklich halten?
FC Bayern München
Die personellen Veränderungen: Die Münchner haben mit Carsen Edwards, Nick Weiler-Babb, Shabazz Napier und Devin Booker gleich vier Leistungsträger verloren. Trotzdem stellen die Bayern in Spitze und Tiefe das beste Aufgebot. Wenyen Gabriels Shotblocking gibt dem Titelverteidiger eine neue defensive Dimension. Am Dienstag wurden mit David McCormack und Aleksa Radanov noch zwei Spieler hinzugefügt.
Der Ausblick: Der Titelverteidiger geht als klarer Favorit in die neue Saison, auch wenn der langfristige Ausfall von Rokas Jokubaitis einem Schlag ins Kontor gleichkommt. Auf nationalem Level scheinen die Bayern unantastbar.
Der Knackpunkt: Kann der mittlerweile 34-jährige und verletzungsanfällige Stefan Jovic als Jokubaitis-Ersatz das hohe Pensum absolvieren?
ROSTOCK SEAWOLVES
Die personellen Veränderungen: Eigentlich kann man Robin Amaize und D’Shawn Schwartz nach ihren schweren Verletzungen in der vergangenen Spielzeit als Neuzugänge führen. Dieses Duo wird ebenso wie die ligaerfahrenen Veteranen TJ Crockett, DeAndre Lansdowne und Owen Klassen zu den Leistungsträgern zählen. Inwieweit kann Big Man Bent Leuchten im ersten Jahr nach dem College schon beitragen?
Der Ausblick: Der Kader verfügt über jede Menge Erfahrung. Lansdowne ist ein großartiger Leader, aber auch schon 36 Jahre alt. Die SEAWOLVES sollten den Sprung auf einen einstelligen Tabellenplatz schaffen und dürfen mit der direkten Playoff-Teilnahme liebäugeln.
Der Knackpunkt: Bleiben die Rostocker im Gegensatz zur vergangenen Saison von großen Verletzungen verschont?
ratiopharm ulm
Die personellen Veränderungen: Große Talente verabschieden sich in Richtung NBA, andere große Talente heuern am Orange Campus an. Gute Ausländer unterzeichnen anderswo lukrativere Verträge, neue vielsprechende Legionäre ersetzen sie. Das ist mittlerweile fast schon Routine in Ulm, aber ein Abgang ist nicht zu ersetzen: Karim Jallow war in der vergangenen Saison der wertvollste deutsche Spieler der Liga.
Der Ausblick: Das erste Ziel der Ulmer bleibt es, Spieler zu entwickeln. Aber durch die Meisterschaft 2023 und die Finalteilnahme 2025 sind die Erwartungen gewachsen. Die direkte Playoff-Teilnahme ist realistisch.
Der Knackpunkt: Kann diese Mannschaft eine ähnliche Chemie aufbauen wie das Vizemeisterteam der Vorsaison?
Fitness First Würzburg Baskets
Die personellen Veränderungen: Mit Jhivvan Jackson verließ der MVP den Klub, aber schwerer wiegen die Abgänge von Kapitän Zac Seljaas und Eigengewächs Hannes Steinbach. Der neue Kader lässt aber bekannte Strukturen erwarten. Würzburg dürfte wieder eine Guard-lastige Offensive mit vielen 1-1-Aktionen auf das Parkett bringen. Sechs Neuzugänge verfügen bereits über BBL-Erfahrung.
Der Ausblick: Die Würzburger haben sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe entwickelt. Auch in der kommenden Spielzeit sollte für Unterfranken die Saison noch nicht nach der Hauptrunde beendet sein.
Der Knackpunkt: Kann Brae Ivey wie seine Vorgänger Otis Livingston und Jhivvan Jackson in der Crunchtime übernehmen?
Kochs Nachschlag
Am schwersten war es für mich, Rostock und Heidelberg in diesen Kreis aufzunehmen. Aber die SEAWOLVES sind das Team, dem ich am ehesten eine Überraschung zutraue. Und den Heidelbergern habe ich aufgrund der größeren Tiefe knapp den Vorteil gegenüber den NINERS Chemnitz zugestanden.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".