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Home/Newscenter/Trotz des Ulmer Höhenflugs: Bonn ist mein Favorit

Kochs NachschlagTrotz des Ulmer Höhenflugs: Bonn ist mein Favorit

07. Juni 2023

Es wird nicht nur einen neuen Deutschen Meister geben, sondern auch einen, der den Titel noch nie zuvor errungen hat. In einer Zeit, in der sich die finanzielle Schere immer weiter öffnet, ist es für Sportromantiker ein schönes Gefühl zu wissen, dass kein Spitzenetat vonnöten ist, um am Ende ganz oben zu stehen. Dauermeisterschaften wie im deutschen Fußball generieren Langeweile, aber nicht nur die Tatsache, dass es im einzig wahren (Hallen)sport einen neuen Meister geben wird, sorgt für frischen Wind. Auch die Art und Weise, wie der neue Champion spielt, liefert Unterhaltungswert. Egal, ob sich am Ende die Spieler der Telekom Baskets Bonn oder von ratiopharm ulm die Krone aufsetzen, beide Teams haben einen Stil entwickelt, bei dem das Zuschauen vergnügungssteuerpflichtig ist. Aber auch wenn die Uuulmer Euphorie-Welle derzeit mächtig Schaum trägt, gehen die Rheinländer mit Vorteilen in diese Serie. Ich möchte das kurz an einigen Zahlen und dann ausführlicher an einem Aspekt belegen, über den im Moment viel diskutiert wird, dem Cross-Matching.

Der Heimvorteil als historischer Trumpf

Bonn hat als Hauptrundenerster den Heimvorteil im 2-2-1-Modus – und seit 1986 erstmals Playoffs mit drei Runden gespielt wurden, gewann in den Finals in 31 von 36 Jahren eben diese höher platzierte Mannschaft (das Final-Turnier von 2020 in der Hotel-Blase nicht mitgerechnet). Historisch gesehen wäre das also eine Titelwahrscheinlichkeit von 86,1 Prozent, und die vergangenen 15 Finalserien gewann auch immer das Team mit Heimrecht. Hier die einzigen fünf Teams, die seit 1986 ohne Heimrecht Meister wurden:

2006: Der Dritte Köln gewinnt 3-1 gegen den Ersten Berlin
2002: Der Fünfte Berlin gewinnt 3-0 gegen den Dritten Köln
1990: Der Zweite Leverkusen gewinnt 3-1 gegen den Ersten Bayreuth
1988: Der Dritte Köln gewinnt 3-1 gegen den Ersten Leverkusen
1987: Der Zweite Köln gewinnt 2-0 gegen den Ersten Leverkusen

Jetzt ist die Situation diesmal zwar eine besondere, weil die heißen Ulmer Playoff-Durchstarter in der Postseason noch kein Auswärtsspiel verloren haben (4-0 Bilanz), aber die Bonner Saison-Durchstarter haben über die gesamte Hauptrunde eben auch noch keine Partie im Telekom Dome gegen einen BBL-Kontrahenten verloren (21-0).

Die aktuellen Zahlen

Sollten die Schützlinge von Tuomas Iisalo also diese weiße Weste behalten, wäre das gleichbedeutend mit der Meisterschaft. Und Bonn war eindeutig das beste Team der Hauptrunde mit dem besten Offensiv-Rating und dem besten Defensiv-Rating. Auch in den Playoffs sind die Bonner an beiden Enden des Feldes absolute Spitze. Auf dem zweiten Platz folgen jeweils die Ulmer, so dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass die stärksten Mannschaften der Post-Season aufeinandertreffen. Allerdings sind die Bonner Werte klar besser. Dazu kommt noch, dass die Baskets deutlich aggressiver rebounden und sich prozentual die wenigsten Ballverluste leisten.

Cross-Matching: Fundamental bei Bonn, situativ bei Ulm 

Bonn wird gegen den Ulmer Point Guards Yago dos Santos (1,75 Meter) crossmatchen, das steht für mich außer Frage. Iisalo macht das schon die komplette Saison, es ist ein fundamentaler Baustein seiner defensiven Spielidee. Tyson Ward (1,98) macht mit seiner Länge, Spannweite und Beinarbeit Druck gegen den Spielmacher, während TJ Shorts (1,75) abseits des Balles agiert. Das funktioniert, weil Shorts als kleiner Spieler keine besondere Zielscheibe für die Blocksteller darstellt, wenn sie ihre Werfer freibekommen möchten. Und im Post ist der Bonner Point Guard tough, darüber hinaus sind die Hilfen bestens organisiert. Alle Abläufe sind sehr gut eingespielt. Zudem stellt sich die Frage, wer bei Ulm dieses vermeintliche Mismatch attackieren soll. Thomas Klepeisz (1,86), den Shorts wahrscheinlich zu Spielbeginn verteidigen wird, kommt dafür nur sehr bedingt in Frage. 

Während Bonn diese Variante in Dauerschleife fährt, setzen die Ulmer sie abhängig vom Kontrahenten situativ ein. Besonders effektiv ist sie, wenn Karim Jallow (1,98) den Point Guard verteidigt. So degradierte er im Eurocup-Spiel gegen Ljubljana den 1,82 Meter großen Wettbewerbs-Topscorer Yogi Ferrell zum Statisten. Aber daneben muss eben auch Yago dos Santos seinen Job gegen einen Shooting Guard oder Small Forward machen.

Geht Coach Gavel das Risiko ein?

Das Fehlen des verletzten Karsten Tadda (1,91) schmerzt die Bonner erheblich, macht es aber den Ulmern schwerer zu crossmatchen. Gegen den Baskets-Kapitän hätte Yago verteidigen können, gegen Sebastian Herrera (1,93) sollte es auch funktionieren, gegen Jeremy Morgan (1,96) wäre es schon schwieriger, gegen Tyson Ward, Collin Malcolm (2,00) und Javontae Hawkins (1,96) fast schon unmöglich. Das Duell gegen Ward wird Ulm aber wahrscheinlich nicht komplett verhindern können. Denn dadurch, dass Ward gegen den Brasilianer verteidigen wird, könnte es passieren, dass er nach Transition-Situationen das Eins gegen Eins gegen ihn haben wird. Unabhängig vom Crossmatching müssen die Ulmer das Post-up der Bonner Flügelspieler kontrollieren. Vor allem das Trio Malcolm, Hawkins und Ward, von dem aber ein Spieler aussetzen könnte, agiert sehr gut mit dem Rücken zum Korb. Wie in der Verteidigung gibt es im Bonner Spiel auch dabei Automatismen. So scheint es festgelegt zu sein, welche Spots die Mitspieler besetzen, wenn gedoppelt wird.

Fazit: Das Crossmatching beim Point Guard birgt für die Ulmer deutlich mehr Risiken, weshalb wir gespannt sein dürfen, ob Anton Gavel diesen Pfeil aus dem Köcher zieht.

Kochs Nachschlag

Das alles mag so klingen, als ob ich den Ulmern nur wenig Chancen zugestehe. Das ist aber nicht so. Ja, Bonn ist favorisiert, aber nicht klar. Ulm spielt absolut herausragende Playoffs, in denen die Mannschaft sechs von sieben Partien gegen die beiden deutschen Euroleague-Teams gewonnen hat. Die Leistungsträger produzieren, das Selbstvertrauen ist riesig, und wenn es läuft, wirkt die Mannschaft wie im Rausch. Freuen wir uns auf das, was vor uns liegt! 

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.

Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.