Nachdem ich euch in der vergangenen Woche die sechs deutschen Spieler meines Vorrundenteams vorgestellt habe, lege ich heute mit den internationalen Akteuren nach. Vielleicht werdet ihr fragen, warum der wohl beste Center der Liga nicht auftaucht. So wie die NBA eine Mindestzahl an absolvierten Spielen vorschreibt, um einen Spieler am Saisonende mit einer individuellen Auszeichnung zu bedenken, habe ich auch ein Minimum an Partien festgelegt. Ich habe mich für zwei Drittel der von der Mannschaft bestrittenen Vorrundenbegegnungen entschieden – und diesen Wert hat Serge Ibaka nicht erreicht. Sein Mannschaftskollege Devin Booker hat es gerade so geschafft. Aber weil es mir so unglaublich schwerfiel, mich zwischen ihm und Jeff Garrett zu entscheiden, habe ich tatsächlich beide Power Forwards gewählt. Mein Team wäre mit sieben Ausländern allerdings keine Ausnahme. Schließlich kann der Coach so die Belastung auch besser steuern.
Wer bei den deutschen Spielern genau hingeschaut hat, dürfte bemerkt haben, dass kein Point Guard dabei war. Die Königsposition wird im Prinzip (leider) ausnahmslos mit Legionären besetzt. Nur der mittlerweile eingebürgerte Chris Carter startet in Rostock, nimmt diese Rolle aber auch nur wegen der frühen Trennung von Mike Smith ein.
Tommy Kuhse (RASTA Vechta, Point Guard)
Der Spielmacher des überraschend starken Aufsteigers ist derzeit heißester MVP-Kandidat. Der 26-Jährige schloss die Hinrunde als bester Scorer (19,9 Punkte) und Vorbereiter (7,1 Assists) ab. Kuhse lässt das Spiel auf sich zukommen, ist aber in den entscheidenden Momenten mit großer Kaltschnäuzigkeit und Handlungssicherheit zur Stelle: Ein echter Mr. Clutch, der immer seiner persönlichen Geschwindigkeit treu bleibt!
Juan Nunez (ratiopharm ulm, Point Guard)
Zuletzt zeigte die Formkurve beim jungen Spanier recht deutlich nach unten. Er wirkte – so wenig ich diesen Begriff mag – überspielt. Führt man sich aber die komplette Hinrunde vor Augen, dann hat er sich den Platz im Hinrundenteam verdient. Sein Verständnis für Aktion und Reaktion auf dem Spielfeld ist außergewöhnlich. Das gilt auch für sein Auge und seine Passkreativität, die uns immer wieder mit der Zunge schnalzen lassen.
Sylvain Francisco (FC Bayern München, Point Guard)
Zugegeben, der Franzose überdreht manchmal, aber ist das ein aufregender Spieler! Niemand in der Liga ist schneller als er. Dazu kann Francisco seine unglaubliche Beschleunigung in spektakulären Abschlüssen mit artistischer Körperkontrolle veredeln. Sein Dreier fällt mit über 40 Prozent, was umso bemerkenswerter ist, wenn man bedenkt, dass er sehr viel aus dem Dribbling wirft. Mit 3,3 Assists ist er auch noch bester Passgeber der Bayern.
Sterling Brown (ALBA BERLIN, Small Forward)
Wir kommen zum nächsten Spieler, der Eins gegen Eins nur ganz schwer zu verteidigen ist. 74 Prozent Zweier und 45 Prozent Dreier sind amtliche Zahlen. Und auch beim ehemaligen NBA-Spieler (292 Partien) weise ich auf den Schwierigkeitsgrad seiner Würfe von jenseits 6,75 Meter hin. Viele Versuche kommen aus dem Fast Break und dem Dribbling. Oftmals geht Brown direkt am Verteidiger hoch und trifft trotzdem.
Jeff Garrett (NINERS Chemnitz, Power Forward)
Der Vierer des Tabellenführers ist für mich der Spieler der Liga, der im Moment zu wenig Anerkennung und Aufmerksamkeit erhält. Auch deshalb habe ich mich für den 29-Jährigen entschieden, der derzeit bester Rebounder der Liga und effektivster Spieler der NINERS ist. Es passt zur Saison der Chemnitzer, dass das Arbeitspferd, das bislang nur in schwächeren Ligen aktiv war, jetzt unter Rodrigo Pastore durchstartet.
Devin Booker (FC Bayern München, Power Foward)
Der Rückkehrer ist eine unverzichtbare Konstante im Münchner Spiel. Der 32-Jährige wirft hervorragende Quoten, kann aber auch seinen Beitrag leisten, wenn er nur wenige Abschlüsse nimmt. Er macht einfach das, was die Mannschaft braucht, weil es dem harten Arbeiter nicht wichtig ist, welche Zahlen am Ende bei ihm im Boxscore auftauchen. Trotzdem ist er der effektivste Münchner in der Liga.
Trevion Williams (ratiopharm ulm, Center)
Bester Scorer und bester Rebounder beim Deutschen Meister, dazu für einen Fünfer ein herausragender Passgeber: Williams ist derzeit der härteste Konkurrent für Kuhse im Kampf um die MVP-Krone. Während andere Ulmer Leistungsträger schwanken, ist auf den gerade einmal 23-Jährigen Verlass. Die Kombination aus Qualität und Vielseitigkeit machen ihn zu einem besonderen Spielertypen mit großer Perspektive.
Kochs Nachschlag
Abschließend hier noch mein komplettes Team der Hinrunde mit sechs deutschen und sieben ausländischen Profis:
Point Guards: Tommy Kuhse, Sylvain Francisco, Juan Nunez
Shooting Guards/Small Forwards: Andreas Obst, Sterling Brown, Karim Jallow, Isaac Bonga
Power Forwards: Johannes Thiemann, Devin Booker, Jeff Garrett
Center: Trevion Williams, Kevin Yebo, Martin Breunig

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.


















