Stand: FC Bayern München (1) – ALBA BERLIN (2) 2-1
Status quo: Bayern München hat sich am Mittwoch mit einem 67:63-Sieg in Berlin nicht nur den am Montag von ALBA gestohlenen Heimvorteil in der Finalserie best-of-five umgehend zurückgeholt. Bei einer 2:1-Führung trennt die Münchener jetzt nur noch ein Sieg vom Gewinn der Meisterschaft – sie haben sozusagen am Freitag drei Stunden vor der Eröffnung der Fußball-EM den Matchball im Basketball-Finale. Für die Bayern wäre der Meistertitel nach 1954, 1955, 2014, 2918 und 2019 der sechste ihrer Vereinsgeschichte. ALBA kann mit einem Sieg ein fünftes Finalspiel erzwingen, das dann am Sonntag in München endgültig über den Titel entscheiden würde.
Was wir bisher gelernt haben: Beide Teams liefern sich mit starken Leistungen an beiden Enden des Parketts ein mit viel Dramatik extrem unterhaltsames Finale. Die Berliner stemmen sich dabei mit großer Moral gegen die personelle Überlegenheit der mittlerweile kompletten Bayern. Dabei können sie aber am Freitag zum letzten Mal auf die zusätzliche Energie zählen, die sie von der Kulisse in der Uber Arena erhalten.
Der Blick zurück: Während am Mittwochabend vor dem Brandenburger Tor bereits die Fanmeile zur Fußball-EM eröffnet wurde, kramte sieben Kilometer östlich in der Uber Arena Bayern-Trainer Pablo Laso gleich zu Beginn des dritten Finalspiels eine „Box and One“-Verteidigung gegen Matt Thomas aus dem Basketball-Archiv, die die Berliner im ersten Viertel zu einigen überhasteten Würfen verleitete. Aber am Ende war der formstarke Berliner Kunstschütze mit 17 Punkten und vier von acht Dreiern doch wieder der Topscorer, und auch Sterling Brown (13) fand Wege, die Münchener Defense zu überwinden. Auf Münchener Seite hatten jedoch auch Carsen Edwards (12) und Andi Obst (14 Punkte, 4/7 Dreier) ihr Zielwasser mit nach Berlin genommen, und das umkämpfte Spiel wogte bis ins vierte Viertel hinein hin und her (insgesamt 14 Führungswechsel und sechsmal Unentschieden). Unter der Regie von Nick Weiler-Babb setzten sich die Bayern fünf Minuten vor Schluss mit einem 13:0-Lauf bis auf 61:51 ab, aber ALBA konterte umgehend mit einem 10:0-Lauf. Ein nach dem Spiel viel diskutierter Flopping-Pfiff gegen Louis Olinde, aus dem die Münchener vier Punkte machten, stellte 89 Sekunden vor Schluss die Weichen zum Münchener 67:63-Sieg, weil ALBA anschließend aus seinen letzten vier Angriffen nur noch zwei Punkte machte.
Taktische Kniffe der Trainer: In der Defense haben wir in dieser Serie bereits eine Zonenverteidigung der Berliner gesehen sowie die „Box and One“ Münchens gegen Matt Thomas. Aber im dritten Spiel waren es auch die Münchener Anpassungen in der Offense, die auffielen. Die Bayern spielten im Pick-and-roll intelligenter gegen die Next-Defense der Berliner, die immer wieder den ballnächsten Helpside-Verteidiger kurz aushelfen lässt. Der Grund dafür war auch eine Veränderung in der Startformation: Pablo Laso spielte kleiner und setzte Combo Forward Niels Giffey für Devin Booker in der ersten Fünf auf die Vier, wo im Laufe des Spiels auch Vladimir Lucic und Isaac Bonga auftauchten. Insgesamt sorgte das für mehr Gefahr von der Dreierlinie. Booker dagegen kam als Backup für Serge Ibaka auf der Fünf zum Einsatz. Beide Big Men hatten mehrere gute Szenen, in denen sie nach dem Pick-and-roll kurz auf die Freiwurflinie abrollten, den Ball bekamen und gegen die kollabierende Defense die freien Dreierschützen in den Ecken fanden. Jetzt stellt sich für das vierte Finale die Frage, welchen taktischen Kniff Israel Gonzalez dagegensetzen wird.
Die besondere Brisanz: Für Fans gibt es kaum etwas Schlimmeres, als den Erzrivalen am Ende der Saison in der eigenen Arena feiern zu sehen. Dass die Bayern sich 2014 in der Arena am Ostbahnhof, die damals noch „o2 World“ hieß, mit einem 75:62 über ALBA im vierten Finalspiel ihren ersten Meistertitel nach dem Wiederaufstieg 2011 sicherten, markiert die vielleicht bitterste Stunde in ALBAs Vereinsgeschichte. Der Schmerz wurde noch durch den Umstand verstärkt, dass die damals von Svetislav Pesic trainierten Bayern dabei in Heiko Schaffartzik, Nihad Djedovic, Deon Thompson und Yassin Idbihi gleich vier Abtrünnige im Aufgebot hatten, die in der Saison zuvor noch das ALBA-Trikot trugen – besonders die Dreier von Schaffartzik im letzten Viertel samt Verbeugung sind heute legendäre Momente der Ligageschichte (Video unten). Auch 2015 und 2017 (jeweils im Halbfinale) endete ALBAs Saison in der eigenen Arena mit Niederlagen gegen die Bayern. Erst in den folgenden sechs Jahren gelang es ALBA, dieser Schmach aus dem Weg zu gehen: 2018 und 2019 landeten die Bayern die entscheidenden Siege zum Titel über ALBA in München, und 2021 und 2022 drehte ALBA den Spieß sogar in München um.
Historie: Wie viel Hoffnung bleibt den Albatrossen noch? Seit der digitalen Datenerfassung 1998/99 haben nur zwei Teams einen 1:2-Rückstand im Finale noch drehen können. 2003/04 setzten sich die OPEL Skyliners gegen GHP Bamberg durch, 2008/09 schockten die EWE Baskets Oldenburg die Telekom Baskets Bonn. Insgesamt 13-mal gewann hingegen das führende Team, in sieben Fällen sogar gleich im vierten Spiel.
Die ewige Bilanz: Nach Spielen haben die Bayern seit 2011 gegen ALBA in der easyCredit BBL (inkl. Pokal) 37:31 Siege errungen. Von bisher acht Playoff-Serien haben die Münchener dabei sechs und ALBA nur zwei gewonnen (bei 22:14 Siegen für die Bayern). Im Finale stehen sich beide zum sechsten Mal gegenüber.
Zahlen, bitte: In jedem der ersten drei Spiele machten andere Details den Unterschied aus. Am Samstag brachten 20 Ballverluste ALBA um den Sieg (München nur acht). Am Montag nutzte ALBA 13:8 Offensivrebounds zum Sieg. Am Mittwoch kontrollierten die Bayern die Rebounds besser und hatten mit 38 Prozent das bessere Händchen an der Dreierlinie (Berlin nur 30 Prozent). Insgesamt fällt auf, dass beide Teams bislang mehr den Wurf aus der Distanz als in der Zone suchten (Bayern 97 Dreierversuche und 84 aus Mittel- und Nahdistanz – Berlin 93:74).
Duell im Fokus: „Defense wins Championships“, aber irgendjemand muss den Ball ja trotzdem in den Korb werfen. In diesem Finale nutzen vor allem Carsen Edwards (44 Punkte) und Andreas Obst (29 Punkte mit 9/18 Dreiern) auf Münchener sowie Matt Thomas (53 Punkte mit 11/23 Dreiern) und Sterling Brown (45 Punkte mit 9/21 Dreiern) auf Berliner Seite die Lizenz zum Werfen, die sie von ihren Trainern erhalten haben. Alle vier stehen sich auch zumeist in den direkten Duellen gegenüber, in die sich sporadisch auch die Defensivspezialisten Jonas Mattisseck, Nick Weiler-Babb und Isaac Bonga einmischen.
Die X-Faktoren: Während ALBA-Trainer Israel Gonzalez angesichts vieler verletzter Spieler keine Joker mehr im Ärmel hat, zeigt bei den Bayern die Rückkehr von Nick Weiler Babb zunehmend Wirkung. Im dritten Finale machte der Nationalspieler als umsichtiger „Floor General“ mit drei Dreiern und sechs Assists sogar den Unterschied aus. Am Freitag könnte auch Sylvain Francisco, der am Mittwoch erstmals nach seiner Verletzung wieder für ein paar Minuten das Parkett betrat, eine größere Rolle spielen.
Wer wird Finals-MVP? Sollten die Bayern am Freitag triumphieren, stellt sich auch die Frage nach dem Finals-MVP, der traditionell aus den Reihen des Siegers kommen dürfte. Die Wahl ist da angesichts des ausgeglichenen Münchener Kaders aber gar nicht so einfach. Serge Ibaka war zwar im Viertel- und Halbfinale Bayerns größter Trumpf, tut sich im Finale gegen den langen Khalifa Koumadje aber deutlich schwerer. Beim Auftaktsieg in München ging stattdessen Kapitän Vladimir Lucic mit 17 Punkten und fünf Assists voran. Andi Obst glänzte bei den Bayern-Siegen mit fünf von acht bzw. vier von sieben Dreiern, „nullte“ aber bei der Niederlage im zweiten Spiel. Carsen Edwards ist mit 44 Punkten Münchens Topscorer, aber am Mittwoch warf auch Nick Weiler-Babb mit einer starken Allround-Leistung seinen Hut in den Ring. Edwards ist mit 14,7 Punkten im Schnitt zwar der beste Scorer der Bayern in den Finals bisher, aber Vladimir Lucic ist der effektivste Münchener Akteur (13,7 EFF), dahinter folgen Edwards (10,7), Leandro Bolmaro und Devin Booker (beide 9,0).
Der Finals-MVP wird mit der Schlusssirene von einem Expertenpool gewählt: Fünf ehemalige BBL-Profis – in den Finals 2024 die früheren DBB-Kapitäne Patrick Femerling (221 Länderspiele), Heiko Schaffartzik (115) und Basti Doreth (96) sowie Malte Ziegenhagen und Andrej Mangold – und eine Gruppe von rund 35 Medienschaffenden mit besonderem Wissen über den deutschen Basketball generell und unsere Liga im Besonderen. Anders als bei den Saison-Awards, für die in den letzten Tagen der Hauptrunde ohne Zeitdruck abgestimmt werden kann, stimmen die Kapitäne und Assistenz-Trainer der Klubs beim Finals-MVP ebenso wie beim TOP FOUR-MVP nicht mit ab, da sie nicht zwangsläufig live schauen und deshalb nicht spätestens mit der Schlusssirene abstimmen können.
Rekordverdächtig: Hut ab vor dem disziplinierten Auftreten von Berlins „Bad Boy“ Khalifa Koumadje in den Playoffs! Seit einem Foul in der 34. Minute des vierten Halbfinales in Chemnitz hat der ALBA-Center in 88 effektiven Spielminuten zwölf Punkte, 25 Rebounds und vier Blocks erzielt – ohne auch nur ein weiteres Foul zu begehen!
Meilensteine: Louis Olinde fehlt noch ein Block bis 100. Malte Delow fehlen noch zwei Steals bis 100. Niels Giffey fehlen noch ein Dreier bis 300 und vier Assists bis 350. Andi Obst fehlen noch zwei Defensiv-Rebounds bis 400.
Im Blick des Bundestrainers: Stefan Koch trifft in der aktuellen Ausgabe seiner Kolumne „Kochs Nachschlag“ bezüglich Johannes Thiemann den Nagel auf den Kopf: „Der Weltmeister plagt sich mit Patellasehnen-Beschwerden und ist offensichtlich massiv angeschlagen. Wie er trotzdem alles für die Mannschaft gibt, nötigt einerseits selbst den Bayern-Fans höchsten Respekt ab und treibt andererseits Bundestrainer Gordon Herbert Sorgenfalten auf die Stirn.“ Auch Andi Obst, Isaac Bonga und Niels Giffey sowie Nick Weiler-Babb und Louis Olinde bleiben nur noch zwei Wochen bis zum Start der Olympia-Vorbereitung am 30. Juni in München.
Alte Bekannte: Für den gebürtigen Berliner Niels Giffey wäre ein Titelgewinn in der Heimatstadt natürlich eine doppelte Freude. Mit ALBA wurde er 2020 und 2021 in München Meister. In der Arena am Ostbahnhof konnte der ehemalige ALBA-Kapitän mit Berlin bislang nur den Pokaltitel 2020 feiern.
Am Rande der Bande ... müssen auch am Freitag wieder ALBAs Langzeitverletzte Martin Hermannsson, Ziga Samar, Matteo Spagnolo und Gabriele Procida zuschauen, während die Bayern aus dem Vollen schöpfen können.
Es ist alles Gold, was glänzt: Acht Siege (bei nur zwei Niederlagen) in 26 Tagen haben die Bayern in den diesjährigen Playoffs auf Schlagdistanz zum sechsten Meistertitel gebracht. Geht das noch besser? Vor neun Monaten stürmte die deutsche Nationalmannschaft mit acht Siegen (ohne Niederlage) in nur 17 Tagen zum Gewinn der Weltmeisterschaft!
Fernsehen / Livestream: Bei Dyn kommentiert Chris Schmidt das Spiel ab 18:00 Uhr. Der frühere DBB-Kapitän Heiko Schaffartzik ist Experte, Anett Sattler moderiert und Sebastian "C-Bas" Meichsner ist Field-Reporter. Außerdem überträgt der rbb die Partie hier per kostenfreiem Livestream aus der Uber Arena, auch sportschau.de ist wieder live dabei.
Dyn ist das Zuhause der Basketballfans. Der Sender strahlt alle Begegnungen der easyCredit BBL, des BBL Pokals sowie Spiele der Basketball Champions League aus. Das umfangreiche Live-Programm im Basketball wird von redaktionellen Formaten ergänzt, die auf der Dyn-Plattform und im Anschluss über die Social-Media-Kanäle von Dyn frei empfangbar sind. Dyn ist seit Anfang August über den Webbrowser, Mobilgeräte, Tablets, Streaming-Sticks und Smart-TVs verfügbar. Für Sportfans, von Sportfans. Dyn Basketball. Dein Sender.
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