Es war keine enthusiastische Freude, die die Bayern nach dem Sieg im fünften Finale gegen ratiopharm ulm ausstrahlten. Stattdessen konnte man in den Gesichtern der Spieler und Coaches die Erleichterung ablesen, die Saison in letzter Sekunde gerettet zu haben. Dabei schien über weite Strecken der Spielzeit die Sonne, aber gegen Ende verdichtete sich die Bewölkung zusehends. Das Euroleague-Aus Mitte April in den Play-Ins bei Real Madrid markierte in doppelter Hinsicht einen Wendepunkt. Einerseits war das Ende in der Königsklasse schwer zu verdauen, weil die Münchner lange Zeit auf Playoff-Kurs navigierten, und andererseits kam es zeitgleich mit der Verletzung ihres besten Spielers. Carsen Edwards hatte die Bayern bis zu diesem Zeitpunkt international mit seinem Scoring getragen.
So kam der psychisch-emotionale Rückschlag parallel zur Notwendigkeit der sportlichen Restauration, was die Mannschaft lange Zeit nicht bewältigen konnte, auch wenn Shabazz Napier bereits in der ersten Partie ohne Edwards mit 19 Punkten in Madrid seine Ansprüche anmeldete, einen größeren Teil der Punktelast zu schultern. Dieser Kreis schloss sich in den Playoffs, denn der Routinier wurde für seine Leistungen in der Finalserie als deren MVP ausgezeichnet. Am Ende gelang ihm mit seinen Teamkollegen eine Meisterschaft, die von der Vereinsführung als Pflicht betrachtet wurde. Hätten die Bayern den Ulmern den Vortritt überlassen müssen, wäre die Saison als Misserfolg abgestempelt worden.
Die personellen Faktoren
Nach drei meisterlosen Jahren unter Andrea Trinchieri wollten die Bayern 2023 mit Pablo Laso in eine neue Zeit starten. Doch der Spanier wurde in München nie heimisch, und so endete die Zusammenarbeit trotz des Double-Gewinns vorzeitig. Im Sommer 2024 lotsten die Münchner dann Gordon Herbert an die Isar. Mit dem Weltmeistertrainer an der Seitenlinie und international renommierten Neuzugängen wie Napier, Johannes Voigtmann und Oscar da Silva galten die Münchner vor der Saison als fast schon unangefochtener Meisterschaftsfavorit. Doch nicht alle Personalentscheidungen erwiesen sich als richtig. Yam Madar und Kevin Yebo verließen den Klub frühzeitig, und die Nachverpflichtung von Onuralp Bitim fiel in die Kategorie Missverständnis. Neben Edwards (Rücken) fehlte in den Playoffs auch da Silva, der seit Anfang März mit einer Knieverletzung zuschauen musste. Zu allem Überfluss verletzte sich auch noch Arbeitstier Elias Harris in der Halbfinalserie gegen Heidelberg schwer. Diese Faktoren gilt es zu berücksichtigen, wenn man nach den Gründen forscht, warum die Meisterschaft der Bayern weit weniger souverän zustande kam als im letzten Sommer erwartet. Die Aussage des zum Jahresende ausscheidenden Geschäftsführers Marko Pesic, dass Coach Herbert während der Saison sowohl mit sich selbst als auch mit der Mannschaft gekämpft habe, unterstreicht, wie schwierig diese Spielzeit phasenweise war.
Internationales und nationales Geschäft
In der Euroleague zeigten die Bayern vor allem im neu eröffneten SAP Garden großartigen Basketball. 14 Siege in 18 Partien sind eine beeindruckende Bilanz. Dahingegen lief es in den nationalen Wettbewerben deutlich holpriger. Die Niederlage im Pokalhalbfinale beim SYNTAINICS MBC in einem Do-or-Die-Spiel war der deutlichste Beweis für die Verwundbarkeit des Starensembles. Von Souveränität war häufig nichts zu spüren. Sechs Heimspiele in der Liga wurden mit maximal zwei Punkten Differenz oder nach Verlängerung gewonnen. Gordon Herbert bemühte in diesem Zusammenhang das Bild vom Pferd, das nur so hochspringt, wie es muss. Letztendlich ist dies aber eine Qualität, die einen Meister ausmacht – in den entscheidenden Momenten die Big Plays zu machen. Die Erfahrung der Spieler war die Basis dafür.
Kochs Nachschlag
Der FC Bayern München Basketball ist gut aufgestellt. Doch mit Marko Pesic verlässt zum Jahresende der Architekt dieses erfolgreichen Projektes die Kommandobrücke. Sein Einfluss auf die Entwicklung des Klubs kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dragan Tarlac wird Geschäftsführer für die sportlichen Belange. Er wird abwandernde Leistungsträger ersetzen und die Mannschaft verjüngen müssen. Außerdem muss er eine Lösung für das Überangebot an Power Forwards finden. Für Johannes Voigtmann und Oscar da Silva ist es ihre natürliche Position, und Vladimir Lucic und Niels Giffey sind im modernen Basketball dort besser aufgehoben als auf der Drei. Die größte Aufgabe muss aber sein Kollege in der Führungsebene, Adrian Sarmiento, meistern. Pesic war immer in der Lage, Bernd Rauch, Uli Hoeneß und Herbert Hainer ins Boot zu holen und sie für seine Ideen zu begeistern. Diese wichtige Beziehungspflege zu den Bayern-Bossen muss Sarmiento jetzt fortführen.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".