Stand: FC Bayern München (1) – ratiopharm ulm 2-2
Die besondere Brisanz: Wer die nicht erkennt, hat den Basketball nie geliebt!
Status quo: Viel Zeit zur Regeneration bleibt den Kontrahenten nicht, 48 Stunden nach dem Dienstag-Tipoff treffen sich München und Ulm erneut – und das nun wirklich zum letzten Mal in dieser Saison. Wer holt die kleine, aber entscheidende Extra-Portion noch einmal aus sich heraus?
Die Besonderheit eines fünften Spiels: Seit 1989 die Playoffs eingeführt wurden mit einem Finale, bei dem der Meister erst nach drei Siegen gekürt wird, gingen die BBL-Finals zehn Mal in ein entscheidendes fünftes Spiel, wobei bisher immer das Team gewann, das sich in der Hauptrunde den Heimvorteil erarbeitet hatte. Letztmals ging es vor sieben Jahren über die volle Distanz, als der FC Bayern München sich mit 3-2 gegen ALBA BERLIN durchsetzte.
- 2017/18: Bayern gegen Berlin (Erster gewinnt gegen Zweiten)
- 2014/15: Bamberg gegen Bayern (Erster gewinnt gegen Dritten)
- 2010/11: Bamberg gegen Berlin (Erster gewinnt gegen Dritten)
- 2009/10: Bamberg gegen Frankfurt (Fünfter gewinnt gegen Siebten)
- 2008/09: Oldenburg gegen Bonn (Dritter gewinnt gegen Vierten)
- 2004/05: Bamberg gegen Frankfurt (Zweiter gewinnt gegen Vierten)
- 2003/04: Frankfurt gegen Bamberg (Dritter gewinnt gegen Fünften)
- 1998/99: Berlin gegen Bonn (Erster gewinnt gegen Zweiten)
- 1990/91: Leverkusen gegen Charlottenburg (Erster Nord gewinnt gegen Zweiten Nord)
- 1988/89: Bayreuth gegen Leverkusen (Erster gewinnt gegen Dritten)
Seit dem Jahr 2000 gab es 15 vierte Finalspiele, bei denen sieben Mal die zurückliegende Mannschaft ein fünftes Finale erzwang. Allerdings wurde bei diesen sieben Fällen das siegreiche Team nur zwei Mal am Ende auch Deutscher Meister. Aber genau das waren auch die beiden Serien, in denen das Team, das in der Hauptrunde besser platziert war, das fünfte Spiel erzwungen hatte. Und: Einer von zwei Trainern, denen das gelungen ist, war … Gordon Herbert, 2004 mit Frankfurt gegen Bamberg (der andere war Predrag Krunic mit Oldenburg gegen Bonn 2009)!
Was wir über Ulm gelernt haben: Ulm versuchte im vierten Finale die Minuten auf der Vier hinter Starter Karim Jallow (27:56 Minuten), die sonst an den bei der NBA-Draft weilenden Noa Essengue gingen, vor allem auf zwei Spieler zu verteilen: Shooting Guard Nate Hinton (38 NBA-Spiele) und den 20-jährigen Forward Alec Anigbata. Beide bekamen gute acht Minuten, wobei Hinton unglücklich agierte und Anigbata zumindest mit viel Energie, aber (noch) ohne nennenswerten Einfluss. Wird Ulms Trainer Ty Harrelson es für die fünfte Partie wieder so probieren oder mit einer anderen Taktik überraschen?
Was wir über München gelernt haben: Headcoach Gordon Herbert greift am Ende einer langen und anstrengenden Münchener Saison tiefer in die Rotations-Kiste, je länger die Finalserie dauert. Weltmeister Justus Hollatz hat im vierten Finale gute 25 Minuten gespielt (in den ersten drei lediglich 13, 18 und 15), und Nachwuchsmann Ivan Kharchenkov ackerte 14 Minuten auf dem Parkett (zuvor kam er nur auf neun Minuten in den ersten drei Finalspielen zusammen). Hollatz kam Ende Januar nach München und hat seitdem keine Doppelbelastung mehr durch die Euroleague gehabt, Kharchenkov kann mit seinen 18 Jahren sowieso immer den Duracell-Hasen geben. Behält der Weltmeister-Trainer diese leicht veränderte Rotation bei für das fünfte Finale oder wird er in einem knappen Spiel doch vorrangig auf seine Veteranen setzen?
Der Blick zurück: Das hatten sich die Ulmer natürlich alles ganz anders vorgestellt am Dienstag, als sich ihnen vor heimischer Kulisse die Chance bot, Deutscher Meister zu werden. Und dann? Hielten sie die Bayern bei gerade einmal 67 Punkten, machten selbst aber nur 53:
Duelle im Fokus: Sowohl Bayerns Headcoach Gordon Herbert als auch sein Gegenüber Ty Harrelson setzen in den Finals bislang auf stets dieselbe Starting Five. Im Spielaufbau hat dabei Nick Weiler-Babb (durchschnittliche Werte in den vier Finalspielen: 4,0 PTS, 4,8 ASS, 3,5 REB) im zweiten und vierten Spiel jeweils keinen Punkt markiert, dabei aber in der Defensive gewohnt verlässliche Arbeit geleistet. Bei den Ulmern konnte NBA-Kandidat Ben Saraf (9,5 PTS, 3,3 REB und 2,5 ASS) seinen 20 Zählern im dritten nur sechs Punkte im vierten Spiel folgen lassen.

Mit seinen 52,4 Prozent Wurfquote hat derweil Weltmeister Andi Obst (10,5 PTS, 4,5 REB) beim FC Bayern seine Zielgenauigkeit von der Dreierlinie pünktlich zur Finalserie wiedergefunden. Auf Ulmer Seite beeindruckt der junge Tobias Jensen (9,8 PTS, 4,3 REB und 2,8 ASS), der aus der Distanz sogar noch besser dasteht: Er verwandelte bis dato in den vier Spielen der Serie 64,3 Prozent seiner Dreier. Routine pur verkörpert Münchens Kapitän Vladimir Lucic (10,0 PTS, 5,5 REB, 1,3 STL), während der neun Jahre jüngere Justinian Jessup (13,5 PTS, 3,0 REB) auf Ulmer Seite mit seinen 27 Jahren zu den Akteuren mit der meisten Erfahrung zählt. Am Dienstag mochte wenig glücken: Er bleib ohne Punkte.
Komplettiert werden die Starting Fives bei den Münchnern durch Jack White (5,5 PTS, 3,5 REB) und Devin Booker (9,3 PTS, 4,8 REB) sowie bei den Ulmern durch Karim Jallow (11,3 PTS, 4,3 REB) und Marcio Santos (5,3 PTS, 4,3 REB). Aus diesem illustren Kreis kommen natürlich auch die …
… Kandidaten für den Finals-MVP: Bei München werden regelmäßig zwei Kandidaten genannt – Vladimir Lucic war der effektivste Münchener Profi der Finals bisher (12,5 EFF), und der Einsatz des 36-jährigen Bayern-Kapitäns ist wie immer seit Jahren grandios. Shabazz Napier hat derweil die meisten Punkte gemacht (14,8 PPG, 42,6 FG%) und war bei den beiden Siegen in den entscheidenden Läufen mit wichtigen Körben zur Stelle.

Bei Ulm ist die Situation schwieriger. Justinian Jessup erzielte in den ersten drei Spielen zusammen 54 Punkte, netzte dabei 21 seiner 39 Feldwürfe (53,8 Prozent) und holte in München mit zehn Punkten in den letzten zweieinhalb Minuten den 81:79-Sieg, hatte aber im vierten Finale die eben erwähnte Nullnummer (0/9 aus dem Feld). Karim Jallow ist der energetische Anführer der Ulmer, ermöglichte mit 23 Punkten (8/10 Würfe) und je sechs Rebounds und Steals den Auswärtssieg in seiner Geburtsstadt München, aber in den anderen drei Spielen wollte er auch immer mal wieder erfolglos mit Helm und Hammer durch die Wand (2,5 Ballverluste im Schnitt). Sollte Ulm gewinnen, gehört vielleicht ein weiterer Name in den Ring geworfen: Der 21-jährige Tobias Jensen wird zwar nicht wie Saraf und Essengue als NBA-Talent gehandelt, ist aber nach vier Spielen noch vor Lucic der effektivste Akteur der Finals (13,0 EFF). Bei dem dänischen Shooting Guard stehen 4,2 Punkte aus der Hauptrunde nun 9,8 Zähler in den Finals gegenüber, wobei er 60 Prozent aus dem Feld trifft. Im Rahmen seiner Möglichkeiten ist er der konstanteste Spieler der Finalserie bisher.
Zahlen, bitte: Ein Extralob muss an dieser Stelle an Devin Booker gehen, der im dritten Finale von vielen Seiten gescholten worden war, diesmal aber in seinen 21 Minuten effektivster Bayern-Spieler war und seinen Plus-Minus-Wert innerhalb von drei Tagen von -24 auf +24 umdrehte. Der Center war mit den drei Guards Justus Hollatz, Shabazz Napier und Andi Obst und dazu Niels Giffey auf der Vier auch Teil der vorne und hinten großartig funktionierenden Formation, die Herbert zu Beginn des vierten Viertels aufs Parkett schickte und die den entscheidenden 15:0-Run startete (die fünf Spieler, die am Ende im Boxscore beim Plus-Minus ganz vorne lagen). In dieser Phase bis zur 67:46-Führung bei 03:37 Minuten wechselte Herbert lediglich Napier für Nick Weiler-Babb, während Ty Harrelson neun Mal erfolglos seine Aufstellung veränderte. Das zweite Mal, dass ein 15:0-Lauf im letzten Viertel, die Entscheidung für München brachte …
Die ewige Bilanz: fällt mit 26-16 in den Duellen seit 1988/89 zugunsten der Bayern aus, am Dienstag gelang ihnen dabei erstmals ein Playoff-Sieg in der Münsterstadt (2023 schieden sie im Halbfinale gegen den späteren Titelträger glatt mit 0:3 aus).
Meilensteine: Ulms Ben Saraf ist noch sechs Punkte von 500 entfernt. Münchens Vladimir Lucic fehlen noch acht Feldwürfe bis 800 (und ein Rebound bis 1.000). Bei den Offensivrebounds ist Devin Booker sechs von 300 entfernt, Philipp Herkenhoff fehlen drei bis 250.

Im Blick des Bundestrainers: Sollten die Bayern gewinnen, lohnt sich ein Blick in die Geschichtsbücher, wenn es um deutsche Minuten beim Deutschen Meister geht. Könnte München der Champion der Neuzeit werden, der in den Playoffs prozentual in Minuten gerechnet am meisten auf deutsche Nationalspieler setzt?
Berlin 2021/22: 41,8 Prozent
München: 2024/25: 39,7 Prozent (nach dem vierten Finale)
München 2013/14: 38,9 Prozent
Es würde wohl nicht ganz reichen, aber die Konkurrenz ist auch edel. Die Berliner Mannschaft von 2021/22 hatte unter Headcoach Israel Gonzalez die Nationalspieler Maodo Lo, Johannes Thiemann, Oscar da Silva und dazu Louis Olinde sowie das ALBA-Trio Jonas Mattisseck, Malte Delow und Tim Schneider in der festen Rotation.
Die Münchener Meisterschaft von 2013/14 hatte unter Headcoach Svetislav Pesic mit Heiko Schaffartzik, Steffen Hamann, Lucca Staiger, Demond Greene, Paul Zipser, Robin Benzing und Yassin Idbihi sieben Nationalspieler im Kader, die heute zusammen 706 Länderspiele in der Vita haben.
Dazu gab es in den Neunzigern, als nur zwei ausländische Profis erlaubt waren, natürlich die Serienmeister Leverkusen und Berlin, die unter Dirk Bauermann und erneut Svetislav Pesic auf deutsche Nationalspieler setzten, bevor nach dem Bosman-Urteil von 1995 in der Neuzeit die Ausländer-Regelungen im Basketball wegfielen.
Die Bundestrainer und die Bayern: Drei der vier Bundestrainer, die mit der DBB-Auswahl eine Medaille gewannen, könnten nach dem fünften Finale auch mit dem FC Bayern München eine Meisterschaft geholt haben: Dirk Bauermann (EM-Silber 2005) wurde 2011 ProA-Meister mit den Bayern und feierte nach 37 Jahren den Wiederaufstieg des Klubs in die deutsche Beletage. Svetislav Pesic (EM-Gold 1993) gewann mit München 2014 die erste Deutsche Meisterschaft seit 1955. Gordon Herbert (EM-Bronze 2022, WM-Gold 2023) hat nun ebenfalls die Chance auf einen Titel mit München. Würde es gelingen, bliebe wohl nur die Frage, was Henrik Dettmann (WM-Bronze 2002) künftig eigentlich macht?
Bewegte Bilder: Shabazz Napier spielte im vierten Finalduell eine wichtige Rolle, Dyn hat seine besten Szenen zusammengetragen:
Weise Worte: „Solche Spiele gehören dazu“, wurde Ulms Nelson Weidemann auf der Website seines Klubs zitiert. „Ich glaube, die Geschichte wäre zu perfekt gewesen, wenn wir es heute gewonnen hätten.“
Am Rande der Bande: Bei den Bayern fehlen weiterhin die verletzten Elias Harris und Carsen Edwards, derweil Oscar da Silva zwar im dritten und vierten Finalspiel wieder auf dem Spielberichtsbogen stand und sich aufwärmte, aber nicht eingesetzt wurde. Bei den Ulmern setzen Tommy Klepeisz und Isaiah Roby aus, zudem weilt Noa Essengue bekanntlich in den USA.
Die Postseason 2025 in der easyCredit BBL: Zwei 3:0-Sweeps im Viertelfinale sowie in jeder der drei Runden eine Serie, die über die volle Distanz ging – das fünfte Finale am Donnerstag wird somit die 29. Partie der diesjährigen Playoffs in der easyCredit BBL sein, was nur knapp unter dem Rekord von 2003/04 liegt, als 31 von maximal 35 Spielen ausgetragen wurden (dazu gab es vier Spielzeiten mit 30 Playoff-Partien).
M/W/D – German Basketball is mad sexy: Bei der Draft-Situation um Noa Essengue und Ben Saraf kommen aus deutscher Sicht natürlich direkt Dirk Nowitzki und Dennis Schröder in den Sinn. Würzburg musste 1998 als damaliger Zweitligist das entscheidende Spiel um den Aufstieg ohne den eigenen Topscorer Nowitzki spielen. Der Dirkster war damals heimlich und ohne Wissen seines Vereins nach Texas zum Hoop Summit geflogen, um beim Duell der besten Nachwuchsspieler des Planeten die Basketballwelt mit 33 Punkten und 13 Rebounds zu schocken (Highlights) und deswegen hoch gedraftet zu werden. Am Ende wurde alles gut, Würzburg gewann und stieg erstmals auf, Nowitzki spielte nach dem Sommer noch ein halbes Jahr in der Bundesliga, wurde Topscorer der Liga und in den folgenden zwei Jahrzehnten zur Basketball-Legende. Und Dennis hat 2013 seine Draftnacht sympathisch mit Familie und Freunden in der eigenen Wohnung erlebt, wie im Video unten zu sehen ist – nun ja, zum WM-MVP hat es trotzdem gereicht. Beides irgendwie … mad sexy!
Fernsehen / Livestream: Die Partie wird am Donnerstag ab 19:30 Uhr live bei Dyn übertragen. Kommentator vor Ort ist Chris Schmidt, es moderiert Anett Sattler. Als Experte ist Heiko Schaffartzik am Mikro. Dyn ist das Zuhause der Basketballfans und bietet übrigens einen vergünstigten Playoff-Pass an, alle Details zu dem Angebot gibt es hier. Der Sender strahlt alle Begegnungen der easyCredit BBL, des BBL Pokals sowie Spiele der Basketball Champions League, des FIBA Europe Cups und der amerikanischen Collegeliga NCAA aus. Das umfangreiche Basketball Live-Programm wird von redaktionellen Formaten ergänzt, die auf der Dyn-Plattform und im Anschluss über die Social-Media-Kanäle von Dyn frei empfangbar sein werden. Dyn ist über den Webbrowser, Mobilgeräte, Tablets, Streaming-Sticks und Smart-TVs verfügbar. Für Sportfans, von Sportfans. Dyn Basketball. Dein Sender. Dein Sport.
BR24Sport überträgt das entscheidende Duell der „Best-of-five“-Serie am Donnerstag ab 20 Uhr im Livestream.