Die Spiele in den Playoffs erfüllen bislang meine Erwartungen. Wir sehen Spannung, taktische Kniffe und intensive Begegnungen. Die Stimmung und die Emotionalität in den Hallen haben ansteckenden Charakter. In dieser finalen Saisonphase ist es auch immer so, dass einzelne Spieler in den Vordergrund treten und den Unterschied machen. Dies sind in der Regel die „üblichen Verdächtigen“. Aber es gibt auch Akteure, die entscheidenden Einfluss nehmen, mit denen man nicht unbedingt rechnen konnte. Diese „stillen Helden“ sind aber nicht weniger wertvoll. Deshalb blicke ich in diesem Nachschlag auf die zweiten Partien der Viertelfinalserien zurück und werfe einen Blick auf Repräsentanten beider Gruppen, die wichtige Beiträge zu den Erfolgen ihrer Teams geleistet haben. Dabei gehe ich nicht auf das Duell zwischen dem amtierenden Meister und dem Pokalsieger ein, das die Bayern in Weißenfels mit 80:65 gewannen, ohne dass ich dabei einen Akteur identifizieren konnte, der den von mir gewählten Spielerkreis zwingend erweitern müsste.
ratiopharm ulm
In meiner Playoff-Vorschau hatte ich noch gefragt, ob die Teenager Ben Saraf und Noa Essengue schon bereit sind, auf der großen Bühne abzuliefern. „Ja“ lautet die Antwort der beiden Ausnahmetalente. Saraf war in Berlin beim 74:62 unglaublich präsent und leitete das Spiel seiner Mannschaft mit großer Souveränität (Highlights unten). Essengue, der in der Auftaktpartie (21 Punkte, vier Rebounds, drei Assists und drei Ballgewinne) geglänzt hatte (Highlights), gefiel mir ebenfalls wieder gut.
Aber es gibt auch zwei „stille Helden“. Der 21-jährige Tobias Jensen hat sich einen festen Platz in der Rotation erarbeitet. Der junge Däne zeigt Abgeklärtheit, Rollenverständnis, gute Verteidigung und Treffsicherheit von der Dreipunktelinie. Letzteres ist auch ein Trumpf von Philipp Herkenhoff. Als Ty Harrelson in der einzigen Schwächephase der Ulmer sah, dass die Berliner Defense durch eine Stretch-Fünf ausgehebelt werden kann, brachte er den 25-Jährigen zurück ins Spiel, der mit zwei Dreiern sofort ablieferte und auch noch Justin Bean blockte.
FIT/One Würzburg Baskets
Es gibt Stimmen in Unterfranken, die glauben, dass der MVP-Award zurecht nach Würzburg gegangen sei, aber neben Jhivvan Jackson auch Zac Seljaas ein würdiger Preisträger gewesen wäre. Nachdem der Kapitän die Auftaktbegegnung in Braunschweig wegen einer Nackenverletzung verpasst hatte, ging er am Mittwoch beim 94:90-Sieg als emotionaler und sportlicher Leader vorweg. Der Amerikaner traf fünf von sechs Dreiern und markierte mit 27 Zählern seine Saisonbestleistung.
Dazu kam ein herausragendes Spiel von Hannes Steinbach. Der 19-Jährige steuerte 17 Punkte und elf Rebounds bei, davon sieben (!) am offensiven Brett. Am Ende traf er noch nervenstark die entscheidenden Freiwürfe, nachdem er zuvor den (absichtlichen) Braunschweiger Fehlversuch von der Linie eingesammelt hatte (Video). Mit seinen Leistungen in der zweiten Saisonhälfte ist er auf dem Weg vom „stillen Helden“ zum „üblichen Verdächtigen“.
MLP Academics Heidelberg
Ja, Michael Weathers, der sich in den letzten Wochen in herausragender Form präsentiert, darf hier als „üblicher Verdächtiger“ genannt werden, nicht zuletzt auch wegen seines wahnsinnigen Buzzerbeaters zur Halbzeit. Aber ich möchte auch Mateo Seric erwähnen, der mit neun Punkten, fünf Rebounds und drei Assists ein tolles Allround-Spiel ablieferte und dabei mit seiner Cleverness bestach. Dieser Pass ist kein spektakuläres No-look-Highlight, aber dennoch ein großartiges Anspiel. Seric hat die Situation gelesen, bevor er den Ball fängt und befördert ihn mit seiner schwächeren linken Hand als perfekten Bodenpass unmittelbar weiter. Genauso muss man über DJ Horne sprechen, der im ersten Spiel in Chemnitz eine Nullnummer ablieferte und auch am Dienstag nur schwer in einen Rhythmus kam. Nach seiner Steigerung hatte er am Ende das Selbstvertrauen, den entscheidenden Dreier einzutüten.
Kochs Nachschlag
Die schönste besondere Note lieferte aber Paul Zipser. Jeder Basketball-Fan kennt die Geschichte der Hirnblutung des ehemaligen NBA-Profis vor vier Jahren. Der 31-jährige gebürtige Heidelberger machte sein bestes Saisonspiel und war einer der Sieggaranten beim 74:70. Seit der Verletzung von Osun Ossuniyi steht Zipser in der Startformation. Nominell ist er der Center, faktisch ist es eine extrem variable Fünf mit einem Ballhandler und vier Forwards, in der er seine Stärken gut zur Geltung bringen kann. Mit zehn Punkten (5/6 Feldwürfe), vier Rebounds und drei Assists war er der zweiteffektivste Spieler der Heidelberger und nach Ende der Partie verständlicherweise emotional angegriffen.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".