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Home/Newscenter/Erst unter, jetzt über dem Radar - Ulms Javonte Green und der Applaus gegnerischer Fans

Gesichter der LigaErst unter, jetzt über dem Radar - Ulms Javonte Green und der Applaus gegnerischer Fans

19. Dezember 2018
Mit 25 Jahren spielt Javonte Green zum ersten Mal in einer ersten Liga Europas. Und dennoch hat der US-amerikanische Flügelspieler in Ulm und der easyCredit BBL direkt eingeschlagen. OrangeZone über den neuen Leistungsträger von ratiopharm ulm.

– Manuel Baraniak

Mit 25 Jahren spielt Javonte Green zum ersten Mal in einer ersten Liga Europas. Und dennoch hat der US-amerikanische Flügelspieler in Ulm und der easyCredit BBL direkt eingeschlagen. OrangeZone über den neuen Leistungsträger von ratiopharm ulm.

Raunen in Oldenburg. Gefolgt von Applaus, gespickt mit Ekstase. Solche Emotionen sind im kollektiven Ulmer Gedächtnis mit keinen schönen Erinnerungen verknüpft: Wie an den 23. Mai 2017, als ein 27-Punkte-Vorsprung im zweiten Viertelfinalspiel nicht für den Sieg reicht und Rickey Paulding mit einem Buzzerbeater die Partie in die Verlängerung schickt (Video rechts) – in der die Oldenburger das Momentum zum Ausgleich der Playoff-Serie nutzen. Oder an den 13. Oktober 2018, als die Ulmer in zwei Verlängerungen gehen und wieder mit einer Niederlage aus Olden-, pardon, Pauldingburg abreisen müssen. Und doch lässt sich etwas Positives aus dieser Partie mitnehmen: die Erkenntnis, einen der spektakulärsten Spieler der Basketball-Bundesliga in den Reihen zu haben. Denn für das Raunen und den Applaus beim Oldenburger Publikum sorgt ein Ulmer Akteur.

Es ist Mitte des dritten Viertels, die Ulmer liegen mit 46:55 zurück und haben Einwurf an der Grundlinie, unter dem Oldenburger Korb. Javonte Green nutzt einen Block von Dwayne Evans an der Dreierlinie, entledigt sich so seines Verteidigers Paulding, schneidet in die Zone, steigt nach oben und fängt das Alley-Oop-Anspiel von Per Günther in der dritten Etage, womit sich Green fast den Kopf am Ring stößt. Mit unglaublicher Wucht haut Green den Ball durch die Reuse, der Highlight-Dunk bringt sogar die Oldenburger Fans aus der Fassung.

„In dem Moment habe ich den Applaus gar nicht wahrgenommen“, blickt Green zurück, als wir uns die Sequenz zusammen ansehen. So ganz überrascht scheint der 25-jährige US-Amerikaner darüber aber nicht zu sein. Egal, ob heimische oder gegnerische Fans, erklärt Green, es gehe auch darum, eine Show abzuliefern – mache das doch den Basketball aus, bezahlen dafür die Zuschauer ihren Eintritt. Zudem erntet Green nicht das erste Mal Applaus vom Publikum des Gegners: „In Spanien habe ich das oft erlebt. Die Fans dort waren einen Spieler meines Kalibers, der aus der Halle springen kann, einfach nicht gewohnt. Dort, in der dritten Liga.“ Sieht man Green in dieser Saison durch die Arenen der BBL und des EuroCups fliegen, mag man es kaum glauben, dass der Flügelspieler seine Profikarriere wirklich in der dritten Liga Spaniens begonnen hat.

Unter dem Radar

Im Sommer 2015 startet Green seine Profikarriere in der spanischen Kleinstadt Marín, im Nordwesten der iberischen Halbinsel, nachdem er sein Leben zuvor immer in Virginia verbracht hat. Dort, genauer in Petersburg, wird er am 23. Juli 1993 geboren; in Brunswick geht er zur High-School; und in Radford vier Jahre lang aufs College. Mit dem Basketballteam der Uni, den Highlanders, bleibt Green die Qualifikation für das NCAA-Turnier, der großen „March Madness“, jedoch verwehrt. Stattdessen nimmt Radford zweimal am CBI-Tournament teil, ein eher zweitklassiges Turnier. Green ist sich bewusst, dass seine Karriere vielleicht anders verlaufen wäre, hätte er sich mit seiner Mannschaft für das NCAA-Turnier qualifiziert. Dennoch blickt Green auf „vier großartige Jahre“ zurück, in denen Teamkollegen zu Brüdern wurden, mit denen er noch heute spricht. Zudem war Radford das einzige College aus der NCAA-Division-I gewesen, das ihm nach seiner High-School-Zeit überhaupt ein Angebot unterbreitet hatte.

Der Weg zum Profibasketballer war für Green also alles andere als vorgegeben, zumal er auch eine andere Option hatte: Football. „In meinem letzten High-School-Jahr musste ich eine Entscheidung treffen. Doch nach der Football-Saison erhielt ich weniger Angebote als ich erwartet hatte – für Football nur aus der Division-II“, schildert Green, was letztlich den Ausschlag für den Basketball gegeben hat. Diesen Weg bedauere er nicht, doch „noch ein letztes Spiel in einem Football-Trikot“ würde Green gerne absolvieren, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte.

Neben Basketball und Football spielt Green an der High-School auch Baseball und macht Leichtathletik. Mit Fokus auf Basketball wäre Green vielleicht zu einem früheren Zeitpunkt ein besserer Spieler gewesen, wie er zustimmt, „aber es hat mir auch hinsichtlich meiner Athletik geholfen“. Was Green bezüglich seiner Profikarriere derweil nicht hilft: dass er am College auf der Position des Power Forwards aufläuft – als 1,96-Meter-Mann. „Nach meiner College-Zeit wusste ich nicht, auf welcher Position ich spielen würde“, erklärt Green, warum es für ihn danach in die dritte spanische Liga ging. „Viele Teams werden sich nicht sicher gewesen sein, in welcher Rolle man ihn in Europa nutzen, und ob er überhaupt am Flügel spielen kann“, fügt Thorsten Leibenath hinzu. Damit ein College-Akteur in einer ersten Liga Europas bestehen kann, dafür sind dem Ulmer Coach zufolge bei Spielern von Greens Größe zwei Dinge entscheidend: „ein starker Drei-Punkte-Wurf und ein starkes Ballhandling“. Attribute, die Green am College als Power Forward nicht aufweisen musste.

Neben einem Angebot aus Belgien erhält Green nur ein paar weitere aus der dritten spanischen Liga. Marín ist für Green dennoch die beste Option, um „meine Karriere ins Rollen zu bringen und mich an die europäischen Regeln zu gewöhnen“. Green arbeitet den Sommer davor hart daran, sein Spiel vom Low-Post auf den Flügel zu verlagern. Und es zahlt sich aus: Mit Marín gewinnt Green nicht nur den Titel der dritten Liga Spaniens, der LEB Plata, er wird auch zum wertvollsten Spieler gekürt. Der Lohn: der Aufstieg in die zweite Liga Italiens. Mit Pallacanestro Triest schafft es Green in seinem ersten Jahr bis in die Endspielserie – dort zieht Triest aber mit 0-3 gegen Bologna den Kürzeren und verpasst den Aufstieg. „Das ist der einzige Grund, warum ich zurückgekommen bin“, erklärt Green das „unfinished business“ in Triest. Und in der Tat: Im zweiten Jahr feiert Triest den Titel und damit den Aufstieg, wie schon in Spanien heimst Green den MVP-Titel ein. „Es war großartig, das nicht nur für mich selbst, sondern auch für das Team, die Fans und die Coaches zu tun; zwei Coaches kamen direkt aus Triest. Nach meiner Vertragsverlängerung hatte ich sehr viel Liebe von den Fans erfahren. Triest ist für mich ein Zuhause weit weg von Zuhause.“

Mission erfüllt. Damit klettert Green auf der Karriereleiter weiter nach oben, in die Basketball-Bundesliga zu ratiopharm ulm. Green ist nicht der erste Spieler, der sich in der zweiten italienischen Liga für die BBL empfohlen hat: Braunschweigs Scott Eatherton oder Bayreuths De’Mon Brooks sind jüngere Beispiele, der ehemalige Bamberger Kyle Hines wohl der prominenteste Fall. Was macht die zweite italienische Liga aus? Die Teams „setzen gerne auf Rookies – das heißt, du findest jüngere Spieler, die finanziell für die deutsche Liga interessant sind“, erklärt Leibenath. „Sie haben nur zwei ausländische Spieler in der Mannschaft – und die müssen relativ viel Verantwortung übernehmen. Diese Erfahrung ist dann natürlich ein Plus“. Für Leibenath sei es nichts Außergewöhnliches, einen 18-Punkte-Scorer aus der zweiten italienischen Liga zu verpflichten, doch Green „hat seine Mannschaft in die erste Liga gebracht – das ist eine Qualität.“

Auf dem Radar

Hier und da passieren Green noch ein paar Fehler, die man sich auf dem Niveau eigentlich nicht erlauben kann, schildert Leibenath Greens Saisonstart: „In einer kleineren Liga geht das, ohne dass sie auffallen oder einen großen negativen Effekt haben. ,You get away with murder’, sagen die Amerikaner.“ Dies sei mit Blick auf Greens Karrierestart erklärbar – und diese Fehler sind „auch verzeihbar, weil er mit so viel Energie spielt und die Fehler dann oftmals wieder wettmacht.“

Es sind Kleinigkeiten, denn sowohl in der BBL als auch im EuroCup führt Green die Ulmer nach den ersten Saisonwochen beim Scoring an; es dauert nur fünf BBL-Partien, ehe der Flügelspieler zum ersten Mal die 30-Punkte-Marke knackt. Das Bedürfnis, sich zu beweisen, spürt Green aber weiterhin: „Die Leute respektieren mich immer noch nicht, weil ich in der zweiten italienischen Liga gespielt habe. Als ich von der dritten spanischen Liga nach Italien gekommen bin, haben sie das auch nicht. Mich beweisen zu müssen, ist aber gut – ich liebe Herausforderungen.“

So geht es für Green auch in jeder Saison und in jedem Sommer darum, sein Spiel zu verbessern. Um ein offensiv kompletterer Spieler zu sein, sind das derzeit das Ballhandling und der Wurf. Mit einer Quote von 61,5 Prozent von Downtown in seinen ersten sechs BBL-Spielen könnte man Zweifel hinsichtlich seines Dreiers beiseite wischen; dennoch sieht sich Green nicht auf dem Niveau seiner Mitspieler. „Wenn wir im Training werfen, bin ich nicht so gut wie all die anderen. Meine Mitspieler nennen mich ,Game Shooter’“, erzählt Green mit einem Augenzwinkern.

Auf den Radar der BBL hat sich Green derweil nicht nur durch seine Dunks, sondern auch durch seine Steals manövriert. Sind seine 1,7 Ballgewinne pro Spiel in der heimischen Liga schon nicht zu verachten, hat sich Green mit durchschnittlich 3,8 Steals zum besten Balldieb des EuroCups entwickelt. Dabei besticht der 25-Jährige mit einer ungemein guten Antizipation. Dies erklärt Leibenath wie folgt: „Man muss ein Gefühl für Basketball haben. Das kann man natürlich entwickeln, es gehört aber auch Intelligenz und eine schnelle Auffassungsgabe dazu.“ Green könne schnell komplexe Situationen entschlüsseln. Seine athletischen Fähigkeiten, in die Passwege zu sprinten, seien sicherlich auch ein Vorteil.

Schon über Greens gesamte Karriere ziehen sich seine guten Steals-Werte; so zollt er seinem High-School-Coach Respekt. Dieser habe ihm beigebracht, wie „man den nächsten Pass antizipiert“. Green achtet dabei auf die Augen des Gegenspielers, wohin dieser passen will. Auch die Positionen sowohl der Gegner als auch der Mitspieler seien entscheidend.

In die Passwege zu springen, birgt natürlich auch immer ein Risiko: Misslingt der Ballgewinn, hat die gegnerische Offensivmannschaft einen Fünf-gegen-Vier-Vorteil. Doch dieses Risiko gehen die Ulmer ein, würde man Green doch zu viel Qualität nehmen, wenn man ihm das verbieten würde. „Wir leben beim Basketball nun mal nicht in einer Demokratie: Manche Spieler haben andere Rechte als andere. Javonte gehört sicherlich zu denen, die etwas mehr gamblen dürfen als andere“, erklärt Leibenath. Green hat zudem auch „einen positiven Effekt auf die Mitspieler“, wie Leibenath mit Blick auf die Verteidigung im Pick-and-Roll fortführt. Gerade mit dem Wissen, dass Green auf der ballfernen Seite lauert, wird sich ein „Spieler wie Isaac Fotu wohl fühlen, richtig Druck [am Ballführer] auszuüben. Wenn Javonte nicht bereit ist, einen weiten Weg zu gehen, dann wird es für Isaac schwierig, ein hartes Pick-and-Roll zu verteidigen.“

Javonte Green der Meisterdieb
MannschaftSaisonSteals pro Spiel
Radford (NCAA)2011/121,4 SPG
Radford (NCAA)2012/132,1 SPG
Radford (NCAA)2013/141,9 SPG
Radford (NCAA)2014/151,9 SPG
Marin (LEB Plata)2015/162,2 SPG
Triest (Serie A2)2016/172,4 SPG
Triest (Serie A2)2017/182,3 SPG
Ulm (easyCredit BBL)2018/191,8 SPG
Ulm (EuroCup)2018/193,8 SPG

Über dem Radar

Im Optimalfall sieht das dann so aus wie im EuroCup-Heimspiel gegen Roter Stern Belgrad. Mitte des zweiten Viertels macht Fotu beim gegnerischen Pick-and-Roll Druck auf den Ballführer Billy Baron. Der wird zur Seite gedrängt, nimmt den Ball auf, dreht sich und will einen Querpass auf die andere Seite spielen. Doch Green fängt den Ball ab, sprintet alleine auf den Korb zu und vollendet mit einem Windmill-Dunk.

Es sind Aktionen wie diese, nach der die BBL-Gemeinde schon auf den Slam-Dunk-Contest des BBL ALLSTAR Days schielt – und Green dort als Teilnehmer verortet. An einer solchen Dunk-Show hat Green noch nie teilgenommen, doch wenn man ihn einladen würde, könnte er sich das auf jeden Fall vorstellen – auch wenn sich Green selbst als „Game Dunker“ bezeichnet. Ein paar Dunks hätte er schon in der Hinterhand. Wer sein Twitter-Profil aufruft, findet dort beispielsweise einen Dunk durch die Beine – aus dem Stand!  „Aber ein Aaron Gordon oder Zach LaVine, der von der Freiwurflinie einen Windmill macht, bin ich nicht“, vollzieht Green ein Understatement.

OrangeZone: Ulms Klubmagazin

Wen Green in einem BBL Slam-Dunk-Contest gerne sehen würde? „Ra’Shad James oder Derrick Williams. Die sieht man auch oft in den Top-Plays der Woche“. Dort ist Green längst Dauergast und stopft sich dank seiner Athletik über den Radar – was er den Ulmer Fans schon bei seinem Debüt gegen den FC Bayern München bewiesen hat.

Nachdem Green seine ersten Punkte im Ulmer Trikot aus dem Fastbreak erzielt hat, dort aber „nur“ per Layup, präsentiert er wenig später seine ganze Athletik. Im Set-Play wird er von Vladimir Lucic verteidigt, der bietet ihm eine Seite an – und Green sieht seine Chance. Als wir den Clip zusammen ansehen, muss Green selbst lächeln. „Ich konnte mich den Fans vorstellen. Ich wusste ja nicht, wie sie auf eine solche Aktion reagieren würden. Als ich gesehen habe, dass die Zone offen war und ich dunken könnte, ist mir das Herz fast durch die Brust geschlagen. Als ich dann die Reaktion der Fans gehört habe, war das pure Freude.“ Und das beruht sicherlich auf Gegenseitigkeit.

 

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