– Stefan Koch
Am Samstag ist das Ostderby zwischen Weißenfels und Jena Mittelpunkt des Abstiegskampfes – für mich ein Anlass, um mal die Situation des Basketballs in den ostdeutschen Bundesländern zu betrachten.
Wenn am Samstag der Mitteldeutsche BC Science City Jena empfängt, geht es für die beiden einzigen ostdeutschen Vereine in der easyCredit BBL um wichtige Zähler im Kampf um den Klassenerhalt. Einen Sieger wird das Abstiegsduell haben, aber letztendlich könnten trotzdem beide Clubs am Saisonende als Verlierer dastehen und den Weg ins Unterhaus antreten müssen. Dies wäre ein herber Rückschlag für den Basketball in den 1990 hinzugekommen Bundesländern, der dort seit jeher mit erschwerten Bedingungen zurechtkommen musste.
1969 fasste der DDR-Ministerrat den Entschluss, Sportarten ohne Medaillenchance bei den Olympischen Spielen in der Förderung massiv zu beschneiden. Davon betroffen waren auch die Basketballer, deren Schicksal damit endgültig besiegelt wurde. 48 Jahre später, 2017/2018 spielten mit Science City Jena, dem Mitteldeutschen BC und den Oettinger Rockets in Erfurt erstmals drei ostdeutsche Mannschaften in der höchsten Liga. Doch bis dahin war es ein langer und schwieriger Weg für die Korbjäger in den neuen Ländern, die immer noch die Folgen der Entscheidung von 1969 spüren.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.
Ohne Basketballeltern keine Basketballkinder
Als der in Göttingen geborene Jenaer Headcoach Björn Harmsen 1994 als Zwölfjähriger nach Thüringen kam, war Jena der einzige Verein im ganzen Bundesland, der im Basketball leistungsorientiert arbeitete. Es gab in der Stadt eine gewisse Basketball-Tradition, weil Jena vor der Wiedervereinigung in der Oberliga gespielt hatte – damals die höchste Liga in der DDR. Viel wichtiger war aber aus Harmsens Sicht, dass Basketball 1992 an der Sportschule in Jena seinen Platz fand. Der 36-Jährige, der auch schon beim Rivalen MBC unter Vertrag stand, erinnert sich an die grundsätzlichen Probleme in den neunziger Jahren: „Es war einfach schwer, Kinder zu begeistern, weil es keine Eltern gab, die diesen Sport ausgeübt hatten.“ Martin Geissler, der Geschäftsführer des Mitteldeutschen BC spricht von „fehlender Infrastruktur und fehlender sozialer Prägung“. Aus seiner Sicht war nicht einmal das Verständnis vorhanden, wie man „Basketball semiprofessionell betreibt“.
In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. So hat es Science City Jena geschafft, in den vergangenen sechs Jahren die Mitgliederzahl im Jugendbereich zu versechsfachen. Es wird aber noch dauern, bis die Bundesligamannschaft von dieser Entwicklung profitieren könnte. Das aktuelle Team ist um die erfahrenen Immanuel McElroy (39), Derrick Allen (38) und Julius Jenkins (37) gebaut, die Runderneuerung scheint unumgänglich.

Europäischer Titel 2004
Der Mitteldeutsche BC war der erste Ostclub in der Bundesliga, spielte von 1999 bis 2004 erstmals in der Beletage. „Damals gab es Leute in Weißenfels, die privat Geld investiert haben“, sagt Geissler. Allerdings seien die Verantwortlichen die Sache auch recht blauäugig angegangen und hätten es versäumt, eine Infrastruktur zu entwickeln.
Es gab große Pläne in der Kleinstadt. 2004 gewann man unter dem ehemaligen Bundestrainer Henrik Dettmann die FIBA EuroCup Challenge. Und das, obwohl der Verein während der Saison einen Insolvenzantrag stellen musste. Zu dieser Zeit gab es auch Überlegungen, den Verein ins 50 Kilometer nordöstlich gelegene Leipzig umzusiedeln, die aber obsolet wurden durch den finanziellen Crash.
Aktuell ist ein Wechsel in die Metropole kein Thema mehr. Zwar tragen die Weißenfelser in jeder Saison eine besonders attraktive Partie in Leipzig aus, aber laut Geissler würde ein Umzug nur Sinn ergeben, wenn damit die finanziellen Möglichkeiten, oben mitzuspielen, verbunden wären.
Womit neben der fehlenden Breite und Tradition das dritte große Problem angesprochen ist: Die finanziellen Ressourcen im Osten sind geringer. „Es spielt nach wie vor eine Rolle, dass die neuen Bundesländer wirtschaftlich schwächer dastehen. Mäzene oder Sponsoren ohne regionalen Bezug sind nicht in Sicht“, sagt Harmsen. Dazu kommt, dass das Thema Sportsponsoring grundsätzlich sehr schwer zu vermitteln ist. Es steckt immer noch in den Köpfen, dass Staat und Kommunen dem Sport unter die Arme greifen. Deshalb nahmen die Oettinger Rockets auch eine Sonderstellung unter den ostdeutschen Erstligisten ein. Aber seit dem Rückzug des Namensponsors und dem sportlichen Abstieg 2018 gibt es in der Region Erfurt nur noch ProB-Basketball.

Kochs Nachschlag
Nachdem in der Saison 2017/2018 drei Teams aus dem Osten in der höchsten Spielklasse unterwegs waren, könnte in der kommenden Spielzeit keine einzige Mannschaft aus den neuen Ländern mehr vertreten sein. Crailsheim hat zuletzt stark gespielt, und Bremerhaven ist seit dem Trainerwechsel deutlich besser unterwegs. Dass Jena und der MBC alles versuchen, um in der Liga zu bleiben, zeigen unter anderem die namhaften (und sicherlich nicht günstigen) Nachverpflichtungen wie der frühere NBA-Spieler Reggie Williams und Ronald Roberts bei Jena oder die Rückkehr von Silvano Poropat auf die Kommandozentrale in Weißenfels, wo man zusätzlich auch beim spielenden Personal noch ordentlich nachgebessert hat. Dennoch wird es für beide Vereine ganz eng werden.
Sollte es wirklich zum GAU kommen, besteht aber ja auch noch die Chance, dass aus der ProA ein ostdeutsches Team aufsteigt. Die NINERS Chemnitz gehen von der Pole Position in die Playoffs, und auch das ambitionierte Programm der ROSTOCK SEAWOLVES gilt es zu beachten. Beide Clubs könnten schon im Halbfinale aufeinandertreffen, womit dann zumindest sportlich ein ostdeutscher Aufsteiger feststünde.
