Am Samstag empfängt die BG Göttingen den neunfachen Meister Brose Bamberg. Dieser Partie wäre noch vor einigen Jahren Einbahnstraßencharakter zugeschrieben worden, mittlerweile ist es ein Duell auf Augenhöhe, und mit Roel Moors sitzt ein ehemaliger Bamberger Head Coach auf der Göttinger Bank. Der Belgier kennt beide Spieler gut, die im Mittelpunkt dieses Nachschlags stehen: Christian Sengfelder und Till Pape. David Krämer von den Löwen Braunschweig ist mit 18 Punkten pro Partie bester deutscher Scorer in der BBL. Dahinter folgt schon Pape mit 13,4 vor Sengfelder, der genauso wie die beiden MBC-Profis Kostja Mushidi und Martin Breunig 12,8 Zähler auflegt.
Sengfelder (27 Jahre, 2,03 Meter, 108 Kilo) und Pape (25, 2,06, 101), da stechen sofort Gemeinsamkeiten ins Auge. Beide haben sich ihre Karrieren erarbeitet, beide spielen auf der Position des Power Forwards, beide sind eher der weniger athletischen Fraktion zuzuordnen, und beide setzen nicht ausschließlich auf ihren Sport, sondern bereiten sich schon jetzt auf ihren beruflichen Weg nach dem Basketball vor.
Christian Sengfelder
Sengfelder ist Pape (noch) ein gutes Stück voraus, auch wenn er bislang nicht an seine bärenstarken Leistungen aus der Vorsaison anknüpfen kann, als er mit 15,6 Punkten bester Bamberger Werfer war. Der Weg des gebürtigen Leverkuseners führte ihn nach vier Collegejahren in den USA 2018 zurück nach Deutschland. Nach nur einer Spielzeit in Braunschweig wechselte er nach Bamberg, wo er mittlerweile zum Fanliebling avanciert ist. Seine große Rollenakzeptanz und sein Rollenverständnis werden besonders deutlich, wenn man auf die Nationalmannschaft schaut. So war er in den Qualifikationsfenstern, in denen die NBA- und Euroleague-Spieler nicht zur Verfügung standen, ein Go-to-Guy, während er bei der Europameisterschaft abgesehen von dem starken Auftritt gegen Ungarn (Highlights unten) eine Bankrolle akzeptierte.
Till Pape
Till Pape machte schon mit 17 Jahren in seiner Heimatstadt Paderborn Abitur. Danach ging er nach Ulm, wo ihm aber der große Durchbruch verwehrt blieb. Artur Kolodziesjki, der Sportliche Leiter der Ulmer Nachwuchsabteilung, hatte den Neuzugang als den „John Bryant der NBBL“ angekündigt. Tatsächlich war Pape vor seinem Wechsel effektivster Spieler in der Nachwuchsbundesliga und hat wie „Big John“ ein lockeres Händchen von außen. Dennoch blieb es für den Youngster vornehmlich bei Einsätzen in der ProB und in der ProA. Nach vier Jahren zog Pape die Konsequenz und wechselte ins Unterhaus nach Kirchheim. Fortschritt durch Rückschritt – so könnte man diese Entscheidung umschreiben. Das dort gewonnene Selbstbewusstsein legt er jetzt auch im ersten Jahr in Göttingen an den Tag.
Die Gemeinsamkeiten
Welch gute Werfer die beiden Power Forwards sind, belegen ihre Quoten von der Linie: Till Papes starke 88 Prozent werden von Chris Sengfelder (92,9 Prozent) sogar noch übertroffen. Bei den Dreiern liegen sie aktuell unter ihren Möglichkeiten (Pape 31,6 Prozent, Sengfelder 25,6 Prozent). Beide sind ehrliche Arbeiter, die eher als Undercover-Agenten denn als Highlight-Produzenten unterwegs sind. Die mangelnde Athletik ist ihre auffälligste Schwäche. Trotz diesem Defizit kommt Sengfelder auf 5,7 Rebounds, Pape aber nur auf 2,6. Ihre Spielintelligenz und ihr Gefühl für den Rhythmus einer Mannschaft zeichnet sie aus. So können sie hocheffizient agieren, ohne den Ball übermäßig viel in den Händen halten zu müssen.
Eine weitere Gemeinsamkeit ist ihr Fokus auf den beruflichen Werdegang abseits des Basketballs. Till Pape studiert Medizin und liegt in der Regelstudienzeit – das ist eine herausragende Leistung! Christian Sengfelder versucht schon jetzt, seine Erfahrungen aus dem Profileben in den Wirtschaftskontext zu übertragen und legt seine Schwerpunkte auf gesunde Ernährung und Personalentwicklung.
Kochs Nachschlag
Auch wenn Chris Sengfelder und Till Pape starke Zahlen auflegen, käme niemand auf die Idee, sie als die besten deutschen Power Forwards der Liga zu einzustufen. Diese Auszeichnung geht an Johannes Thiemann, der zusammen mit Luke Sikma ein kongeniales Duo beim Deutschen Meister ALBA BERLIN bildet. JT erzielt zwar „nur“ 11,6 Punkte pro Partie, aber er markiert sie in weniger als 19 Minuten pro Begegnung und ist bei dieser überschaubaren Spielzeit zusammen mit Martin Breunig effektivster deutscher Spieler der Liga! Sengfelder und Pape spielen in Bamberg und Göttingen derzeit Rollen, die sie bei den großen Teams nicht einnehmen würden. An Sengfelder gab es auch Interesse aus dem Ausland, aber er hat ein langfristiges Engagement in Oberfranken vorgezogen, weil er sich dort einfach wohlfühlt. Pape spielt zum ersten Mal eine größere Rolle auf BBL-Niveau. Er muss die bislang gezeigten Leistungen bestätigen und weiterentwickeln, bevor er dann vielleicht einmal wie sein Bamberger Pendant vor der Entscheidung stehen wird, ob er lieber ein kleinerer Fisch in einem größeren Teich sein möchte.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.