Am heutigen Donnerstag starten die letzten unserer neun Europapokal-Clubs in die Hauptrunden ihrer internationalen Wettbewerbe: Da dies genau die Hälfte aller BBL-Teams sind, sollten wir mal wieder eine Grundsatzdiskussion führen: Ist es mit Blick auf die Playoffs die sinnvollere Variante, europäisch zu spielen, um sich über zusätzliche Partien zu verbessern und Wettkampfhärte zu erlangen, oder sollte man sich auf die nationale Liga konzentrieren, um möglichst ausgeruht in die Post-Season zu gehen? Auch wenn die Gemengelage komplex ist und es Argumente für beide Standpunkte gibt, habe ich eine klare Haltung zu dieser Frage.
Dieses Thema hat natürlich durch das aktuelle Format der Euroleague mit 34 Hauptrundenspielen eine neue Dimension erreicht. Aber letztendlich geht es nicht primär um die Teilnehmer an der europäischen Königsklasse. ALBA BERLIN und der FC Bayern München verfügen über qualitativ hochwertige und extrem tiefe Kader, die es ihnen erlauben, zumindest einen Teil der immensen Belastungen abzufedern. Dennoch sehen sich auch die beiden Aushängeschilder des deutschen Vereinsbasketballs natürlich mit den Nachteilen der Doppelbelastung konfrontiert. Aber die Euroleague ist ein sportlich und finanziell so wertvoller Wettbewerb, dass es hier keine zwei Meinungen geben darf. Wer die Chance erhält, daran teilzunehmen, muss sie nutzen!
Anders stellt es sich beim Eurocup (der genauso wie die Euroleague von der ULEB, der Vereinigung der europäischen Ligen, ausgerichtet wird), der Champions League und dem Europe Cup (werden beide von der FIBA ausgerichtet und sind qualitativ tiefer anzusiedeln) dar. Dort gilt es für die Clubs abzuwägen, ob eine Meldung Sinn ergibt.
Nachteile
Die vielen Reisen machen müde, vor allem, wenn deine Mannschaft nicht in der Nähe eines internationalen Flugdrehkreuzes beheimatet ist. Ich kann an dieser Stelle aus eigener Erfahrung schreiben. Mit den Artland Dragons sind wir in der Regel von Münster oder Bremen losgeflogen, um dann in Frankfurt oder München umzusteigen. Dabei hatten wir zumindest den Vorteil, dass wir im Eurocup in größeren Städten mit guter Anbindung spielten. Aber je niedriger das Niveau des Wettbewerbs angesiedelt ist, desto kleiner sind die Städte, in denen die Begegnungen stattfinden. Entsprechend beschwerlich ist dann die weitere Reise nach Ankunft im Gastland. Das schlaucht und hinterlässt Spuren! Dazu kommt grundsätzlich noch der geographische Faktor. Ein Trip nach Gran Canaria oder Teneriffa im Winter löst bei Spielern und Coaches andere Vorfreude aus als eine Partie in Osteuropa. Zu guter Letzt belasten die Reisekosten natürlich auch das Budget.
Selbstverständlich versuchen die Coaches, über die Trainingssteuerung den Spielern Regeneration zu ermöglichen. Aber komplett kann man diese Spiele und Reisen nicht abfangen. Als weitere Konsequenz steht man am Wochenende dann häufig einem ausgeruhten Kontrahenten gegenüber, der seine Trainingswoche sowohl von der Belastungssteuerung als auch von der taktischen Vorbereitung her komplett auf das Spiel gegen deine Mannschaft ausgerichtet hat. Das ist ohne Frage ein Nachteil im nationalen Wettbewerb.
Vorteile
In meinen Augen überwiegen allerdings klar die Vorteile. Die europäischen Spiele ermöglichen es allen Protagonisten, wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Am Ende der Saison fällt im einzig wahren Hallensport die Entscheidung im Playoff-Modus. Und Mannschaften, die international aktiv waren, haben gelernt, mit diesem eng getakteten Rhythmus umzugehen. Das Gegenargument, dass die Spieler dieser Teams müder in die entscheidende Phase gehen, kenne ich natürlich. Es ist nicht komplett von der Hand zu weisen. Aber für mich wiegen die gemachten Erfahrungen – auch im Umgang mit vielen Begegnungen in kurzen Zeiträumen – schwerer. Zudem kann es Spieler auch zermürben, eine ganze Saison lang fünf Trainingstage vor dem nächsten Spiel zu absolvieren. Auch wenn die Coaches hier und da einen Tag freigeben und sich bemühen, die Einheiten abwechslungsreich zu gestalten, kann diese Situation mental und emotional sehr herausfordernd werden.
Ein weiterer Vorteil sind die Chancen bei der Rekrutierung. Viele Spieler sehen die Auftritte auf europäischem Parkett als Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Ich kann mich an Situationen erinnern, in denen sich ein Agent und sein Spieler für uns entschieden, weil wir im Gegensatz zum härtesten Konkurrenten an einem europäischen Wettbewerb teilnahmen.
Kochs Nachschlag
Trainieren oder spielen, darauf könnte ich die Diskussion zuspitzen. Und spätestens jetzt wird für mich klar, auf welche Seite ich mich schlage. Die Bestimmung der Spieler, ist es zu spielen. Die Spieler lieben es zu spielen. Wäre es ihre Bestimmung zu trainieren und würden sie es lieben, hießen sie „Trainierer“!

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.