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Home/Newscenter/Ein Ehrenmann verlässt nach 13 Jahren unsere Liga: Zum Karriereende von Bryce Taylor

Kochs NachschlagEin Ehrenmann verlässt nach 13 Jahren unsere Liga: Zum Karriereende von Bryce Taylor

30. September 2021
Nicht nur, weil ich ihn auch ein Jahr trainieren und coachen durfte, sondern weil er es nach 13 Jahren als Vorzeigeprofi, nein, als Vorzeigemensch in Deutschland einfach verdient hat: meine Lobhudelei über Bryce Taylor.

Nicht nur, weil ich ihn auch ein Jahr trainieren und coachen durfte, sondern weil er es nach 13 Jahren als Vorzeigeprofi, nein, als Vorzeigemensch in Deutschland einfach verdient hat: meine Lobhudelei über Bryce Taylor.

Rickey Paulding gehört zu Oldenburg, Quantez Robertson gehört zu Frankfurt und Per Günther gehört zu Ulm. Alle haben in ihren mehr als ein Jahrzehnt dauernden Karrieren für nur einen einzigen Club im deutschen Oberhaus gespielt. Am Montag (und damit an seinem 35. Geburtstag) gab mit Bryce Taylor ein Spieler das Ende seiner Laufbahn bekannt, der nach seiner Rookie-Saison in Italien zwölf Jahre in Deutschland verbrachte. Dabei lief der Flügelspieler für sechs verschiedene Vereine auf (Bonn, Berlin, Quakenbrück, München, Bamberg und Hamburg). Stellt sich die Frage, wo wir seine Zugehörigkeit verorten müssen? Ganz einfach: Bryce Taylor gehört zur Bundesliga!

Er spielte für alle Drei der „großen B’s“: Berlin, Bayern und Bamberg. Mit München wurde er 2014 Deutscher Meister (Video unten), mit den Bambergern gewann er 2019 den Pokal. Bei seiner letzten Station in Hamburg fungierte er (wie zuvor auch schon in München) als Kapitän, eine Rolle, für die er zu diesem Zeitpunkt nicht nur aufgrund seiner Erfahrung prädestiniert war, sondern auch wegen seiner Persönlichkeit. Bescheiden, positiv und ein großartiger Mannschaftskamerad – so durfte ich Bryce während unserer gemeinsamen Saison 2012/2013 in Quakenbrück näher kennenlernen.

Vom Flieger zum Traumquotenwerfer

Als 22-Jähriger unterschrieb er 2009 in Bonn zu einer Zeit, in der die deutsche Beletage für die meisten Amerikaner gedanklich eine Zwischenstation war, um sich für die lukrativeren Ligen in Südeuropa zu empfehlen. Aber Bryce blieb – und zwar nicht etwa, weil es ihm an Qualität gefehlt hätte, um nach Spanien oder Griechenland zu wechseln, sondern weil er nicht ins Klischee passte, das die amerikanischen Spieler der damaligen Jahre gerne mit dem Begriff „Durchlauferhitzer“ umschrieb.

Bryce war zu Beginn seiner Karriere, als seine Kniee noch keine Probleme bereiteten, mit seinen 1,95 Metern ein echter Flieger, Flight 44 eben (wie seine Highlights von damals bezeugen). Sein legendärer Dunk im Berliner Trikot in der Crunchtime des fünften Finales 2011 gegen Bambergs Predrag Suput ist besonders in Erinnerung geblieben (Video unten).

Aber je älter er wurde, desto mehr verließ er sich auf sein lockeres Handgelenk. In München gelang ihm eine Saison mit 54,9 Prozent Feldwurfquote, 52,5 Prozent Dreierquote und 92,5 Prozent Freiwurfquote, nachdem er in der Spielzeit davor schon 57,0 Prozent, 49,1 Prozent und 95,8 Prozent aufgelegt hatte. Intelligent wie er ist, verstand es Bryce, sein Spiel anzupassen als ihm seine überragende Athletik aufgrund von Verletzungen und der Belastungen der vielen Jahre nicht mehr voll zur Verfügung stand.

Interesse an Land und Leuten

Im April 2018 erhielt Bryce Taylor seinen deutschen Pass. Natürlich spielte dabei auch der Gedanke eine Rolle, dass diese Staatsbürgerschaft seine Karriere verlängern könnte. Aber Bryce integrierte sich schon immer, weil das für ihn zum Leben in einem anderen Land schlicht dazugehörte und er sowieso anderen Kulturen gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen ist. Deshalb hat er als einer von nicht vielen US-Profis Deutsch gelernt und konnte zuletzt in Hamburg auch längere Interviews problemlos auf Deutsch führen:

Wenn ich in meiner Funktion als MagentaSport-Kommentator in den Arenen einem meiner früheren Spieler begegne, kommt beim obligatorischen Kurzplausch fast immer die Frage, wie es denn meiner Familie gehe – und auch Bryce macht da keine Ausnahme, aber bei ihm fühlt es sich anders an, er fragt nach, hakt nach, zeigt sich nicht interessiert, sondern ist interessiert. Das gilt für viele Spieler, aber eben nicht für alle.

Kochs Nachschlag

2013 spielten wir mit den Artland Dragons das Top Four um den Pokal in Berlin. Aufgrund einer Nachverpflichtung hatten wir zu diesem Zeitpunkt sieben Ausländer unter Vertrag. Das bedeutete, dass ich im Halbfinale gegen Ulm einen dieser Spieler aussetzen lassen musste. Ich beging den Fehler und entschied mich für Bryce. Er akzeptierte das mit großer Professionalität und unternahm in zivil auf der Bank alles, um die Mannschaft ins Endspiel zu pushen. Letztendlich schieden wir aber im Semifinale aus, und im Spiel um den dritten Platz gegen München nahm ich ihn wieder ins Team. Er lieferte sein Statement dazu mittels 28 erzielter Punkte, aber er nahm mir die Entscheidung nie übel, und sie hatte keinen negativen Einfluss auf unsere Beziehung.

Nicht nur diese Geschichte zeigt, was die Liga verloren hat, nämlich einen Menschen, der sich auch für mich mit meinen 57 Jahren mittels Jugendsprache am besten beschreiben lässt: Einen Ehrenmann!

Zur Person

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.

Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.