– Stefan Koch
Ein zweiter Blick zurück auf die Saison 2018/19, und diesmal beschäftige ich mich unter anderem mit T.J. Bray, Rasid Mahalbasic und Luke Sikma.
Die Verwandlung der Saison: Rasid Mahalbasic
Rasid Mahalbasic war schon lange ein exzellenter Basketballer, dennoch hat er aus meiner Sicht in der vergangenen Saison einen großen Schritt gemacht, weil er seine Herangehensweise an das Spiel bewusst veränderte. Der österreichische Spaßvogel verlor vor der Saison an Gewicht, vor allem aber nahm er sich als Scoring-Option etwas zurück und entwickelte ein neues Rollenverständnis, um dadurch am Ende an Einfluss zu gewinnen und effektivster Spieler der Donnervögel zu werden.
Mit weiterhin unverminderter Klasse im Low Post setzte er seine Mitspieler immer wieder in Szene und etablierte sich als Point Center mit grandiosen Statistiken (14,5 Punkte, 62,2 Prozent Feldwurfquote, 9,1 Rebounds und 4,9 Assists) und dem Rekord von vier Triple Doubles.
Der tragische Held der Saison: Luke Sikma
2017/2018 war er MVP der Bundesliga, 2018/2019 war er MVP des Eurocups (Video rechts), aber Luke Sikma wartet weiterhin auf den ersten Titel mit ALBA BERLIN. In der abgelaufenen Spielzeit unterlagen die Albatrosse in allen ihren drei Wettbewerben in den Finalspielen – und Sikma war in den entscheidenden Partien weit von seiner Bestform entfernt.
Beim Pokalfinale in Bamberg ging er krank in die Schlacht, Schwamm drüber. In den drei Eurocup-Finalpartien gegen Valencia erzielte er insgesamt 22 Punkte, genauso viele wie in den drei BBL-Endspielbegegnungen gegen die Bayern. In diesen sechs Spielen traf er nur 15 von 51 Würfen aus dem Feld, weniger als 30 Prozent. Noch eklatanter wird es, wenn man sich die Spiele anschaut, in denen die Serien beendet wurden: Er traf zwei von 18 Field Goals in diesen beiden Partien.
Der Amerikaner hat einen neuen langfristigen Vertrag in Berlin unterschrieben. Seine Probleme in den großen Momenten sind auch den ALBA-Fans nicht verborgen geblieben, die ihn zukünftig sehr stark daran messen dürften, wie er in diesen Situationen auftritt.
Der Aufsteiger der Saison: T.J. Bray
Vom Liga-Neuling RASTA Vechta in die Euroleague – so könnte der Weg von T.J. Bray aussehen. Der vielseitige Guard hat seinen Marktwert wahrscheinlich in einem Maße gesteigert wie kein anderer Akteur. Mit mehr als acht Assists pro Partie führte er die Liga an, war ein ständiger Gefahrenherd von der Dreipunktelinie und vor allem konnte er in den Playoffs noch eine Schippe drauflegen. 14,8 Punkte pro Partie in der Hauptrunde, 18,7 im Viertelfinale gegen Bamberg und 22,3 im Halbfinale gegen München. Solche Zahlen öffnen Türen, zumal der 27-Jährige aufgrund seiner Größe problemlos beide Guard-Positionen bekleiden kann. Bleibt nur zu hoffen, dass er einen Verein findet, bei dem er sein kreatives Potenzial auch entsprechend zur Entfaltung bringen kann.
Ein weiterer Trend der Saison: Der Sportdirektor
Die Flaggschiffe München und Berlin haben diese Positionen mit Daniele Baiesi und Himar Ojeda hochwertig besetzt. Ihr Anteil am Erfolg ihrer Mannschaften sollte nicht unterschätzt werden. Auch das dritte „große B“, Brose Bamberg, verfügt natürlich über einen Sportdirektor. Nach Baiesis Wechsel nach München (der Italiener galt als Architekt der Meisterteams von Andrea Trinchieri), griff sein Nachfolger Ginas Rutkauskas bei der Spielerauswahl ordentlich daneben, sodass jetzt die Hoffnungen auf dem Belgier Leo de Rycke ruhen. Auch Oldenburg, Bonn und Crailsheim haben eine solche Stelle bereits vergeben. Wirklich interessant ist aber, dass diese Position mittlerweile für weitere Teams relevant ist. So installierten Bayreuth mit Matt Haufer und Würzburg mit Kreso Loncar erstmals einen Sportdirektor, und in Ulm wechselte mit Thorsten Leibenath, der 2011 nach Ulm kam (Video rechts), sogar der erfolgreichste deutsche Trainer der letzten Jahre von der Trainerbank ins Front Office. Aufgaben gibt es genug, von der Talentsichtung bis hin zum Aufbau interner Strukturen.
Kochs Nachschlag: Wer kopiert Vechta?
Die Mannschaft der abgelaufenen Spielzeit war zweifellos RASTA Vechta und ihr Head Coach Pedro Calles wurde völlig zurecht als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Der Neuling spielte nicht nur äußerst erfolgreich und performte an den materiellen Möglichkeiten gemessen gnadenlos über seinem Niveau, vor allem etablierte er einen eigenen Stil, der vor allem auf seiner Run-and-Jump-Defense fußte. Coach Aíto sprach sogar davon, dass Vechta den Basketball der Zukunft spiele. Da taktische Entwicklungen im Sport oft wellenförmig verlaufen, bin ich gespannt, wie viele Mannschaften in der kommenden Saison in ihrer Konzeption Anleihen bei den Niedersachsen nehmen werden.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.
