Dieser Nachschlag zu den Würzburg Baskets ist längst überfällig! Die Mannschaft von Sasa Filipovski hat 14 ihrer letzten 16 Begegnungen gewonnen und hätte beim aktuellen Stand als Tabellenvierter Heimvorteil in der ersten Playoff-Runde! Aber Vorsicht, auch in der vergangenen Spielzeit waren die Unterfranken in Richtung Post Season unterwegs, ehe ihnen Verletzungen in der entscheidenden Saisonphase einen Strich durch die Rechnung machten. Im Moment sind Form und Ausgangslage aber exzellent. Ich möchte die Würzburger Stärken in drei Kategorien analysieren: Schlüsselfiguren, Offensive und Defensive.
Die Schlüsselfiguren
Head Coach Sasa Filipovski kam Ende 2021 an den Main. Seine unaufgeregte und konstante Arbeit auf hohem fachlichem Niveau bildet das Fundament der Würzburger Entwicklung. Denn finanziell ist der Verein bekanntermaßen nicht auf Rosen gebettet. In einer solchen Situation benötigt man gutes und kreatives Recruiting. So verpflichteten die Würzburger 2022 Stanley Whittaker aus der ProA, der sich so gut entwickelte, dass er im vergangenen Sommer nach Italien wechselte. Jetzt könnte Zach Seeljas einen ähnlichen Weg gehen. Der Forward mit der Vokuhila-Frisur aus den 80er Jahren wird wie die gesamte Mannschaft immer stärker. In den letzten sieben Spielen legte er 19,1 Punkte mit einer Dreierquote von 56 Prozent (28/50) auf, angefangen mit sieben von elf Dreiern beim 76:75-Sieg gegen Berlin Ende Januar (Highlights weiter unten)! Die Auswahl der Spieler überzeugt genauso wie die Arbeit mit ihnen, was man daran erkennt, dass sie sich verbessern. Otis Livingston II brilliert als Topscorer der Liga (19,3 Zähler) und hat die Saison zuvor weder in Crailsheim noch in Bayreuth auf diesem hohen Niveau gespielt. Sein Assist-Turnover-Ratio beträgt 3:1 und sein Steal-Turnover-Ratio 1:1! Als absolutes Highlight erzielte er in Tübingen 42 Punkte (Highlights hier unten), der beste Wert seit den 43 Zählern von BJ McKie aus der Saison 2002/03 (Übersicht der Punkterekorde in einer Partie). Livingston ist neben Vechtas Tommy Kuhse und Ulms Trevion Williams einer der MVP-Kandidaten.
Die Offensive
In der Vorsaison wurden die Würzburger mit Whittaker und Cameron Hunt gerne als „Kings of Midrange“ tituliert. Die Mannschaft nahm die wenigsten Dreier der Liga, jetzt sind es prozentual die zweitmeisten nach Heidelberg, wobei sich die Trefferquote von 38,6 Prozent (drittbester Wert aller Mannschaften) mehr als sehen lassen kann. Filipovski hat also Anpassungen an sein Personal vorgenommen, aber es gibt auch Konstanten. Wie schon in der Vorsaison verbucht das Team die wenigsten assistierten Körbe. Es geht auch weiterhin viel über das 1-1 der Guards, wo neben Livingston II auch Isaiah Washington und Darius Perry in Aktion treten. So leistet sich Würzburg nur wenige Ballverluste. Die Pace ist die zweitlangsamste nach den Bayern, aber wenn die Baskets selektiv den Fast Break laufen, ist das erfolgsträchtig. Rhythmus und Abstimmung werden offensichtlich immer besser. Nach 72,8 Punkten in den ersten fünf Saisonspielen, waren es 92,3 in den letzten sechs Partien. Auf der Center-Position stellen der klassische Brettspieler Owen Klassen und Rückkehrer Max Ugrai, der als Stretch-Fünfer das Feld weit macht, zwei unterschiedliche Looks zur Verfügung.
Die Defensive
Der Tabellenvierte nimmt über das ganze Feld auf und macht Druck. Die Big Men schaffen es ausgezeichnet, in Pick-and-Roll-Situationen zu hedgen und den Dribbler zu stoppen. Alle Hilfen sind schnell auf dem Weg und werden hart und genau ausgeführt. Würzburg verbucht die zweitmeisten Steals der Liga. Wer diese Aussagen liest, könnte zu dem Schluss kommen, dass diese Verteidigung foulintensiv sein muss. Nein, ist sie aber nicht! Die Filipovski-Schützlinge begehen weniger als 19 Fouls pro Begegnung, ligaweit die drittwenigsten. Und natürlich verdient noch der beste individuelle Verteidiger besondere Erwähnung: Javon Bess ist der Mann für Spezialaufgaben. Vom Point Guard bis zum Power Forward kann der 27-Jährige die Stars des Kontrahenten aus dem Spiel nehmen. Für die meisten Experten ist er der heißeste Kandidat für die Auszeichnung als Defensivspieler des Jahres.
Kochs Nachschlag
Ich bin sehr zuversichtlich, dass für die Würzburger die Saison nach der Hauptrunde noch nicht beendet sein wird. Das wäre die erste Teilnahme an der Postseason seit 2016*. Angesichts des Restprogramms gehe ich davon aus, dass die Baskets mehr als 50 Prozent ihrer noch ausstehenden Partien gewinnen werden. Das sollte dann sogar für die direkte Playoff-Teilnahme (ohne den Umweg über die Play-Ins) reichen. Aber was ist dann noch möglich? Ich glaube nicht mehr viel, weil die Rotation für eng getaktete Spiele gegen Topkonkurrenten einfach zu kurz ist.
*Im Text stand zuerst fälschlicherweise, dass es die erste Postseason seit zwölf Jahren sei (Anmerkung der Redaktion).

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.